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Streit um Seegebiet zwischen Somalia und Kenia eskaliert – Gewalt droht

erstellt am: 30.10.2021 | von: Jürgen Oeder | Kategorie(n): Kenia, News

Nachdem Kenia nun nicht mehr als Corona-Hochrisikogebiet gilt und wir Angler auf entspanntes Fischen auch nördlich von Lamu hoffen durften, droht nun ein neues Risiko – kriegerische Eskalation und Terror zwischen Kenia und Somalia. Anlass ist ein seit vier Jahrzehnten andauernder streiten der beiden Staaten über die gemeinsame Seegrenze im Indischen Ozean. Im Kern geht es dabei um ein mehr als 100.000 Quadratkilometer großes Dreieck, das reich an Öl und Gas sein soll.

Nun hat der oberste Gerichtshof der Vereinten Nationen (ICJ) in Den Haag am 12. Oktober Somalia weitgehend Recht gegeben und das umstrittene Seegebiet größtenteils Somalia zugesprochen. Kenias Präsident Uhuru Kenyatta erkennt das Urteil nicht an – und droht Somalia unverhohlen mit seiner Kriegsmarine.  Somalias Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed forderte im Gegenzug die Terrormiliz Al-Shabaab auf, ihre Heimat zu verteidigen – „im Namen Allahs, dem Barmherzigen“.

In dem Streit behauptet Kenia, seine Seegrenze verlaufe in einer Linie genau östlich der Stelle, an der sich die beiden Länder an der Küste treffen. Somalia argumentierte jedoch vor Gericht, dass die Seegrenze im Indischen Ozean in der gleichen südöstlichen Richtung weiter verlaufen sollte wie die Landgrenze.  

Das 14-köpfige Richtergremium in Den Haag erklärte dazu in seinem Urteil, Kenia habe nicht nachgewiesen, dass Somalia zuvor der von Kenia behaupteten Grenze zugestimmt habe. Stattdessen zog das Gericht eine neue Linie, die das umstrittene Gebiet in zwei Hälften geteilt hat.

Das umstrittene Meeresgebiet ist reich an Öl, Gas und Fisch – China freut’s.

Kenia wies das Urteil „in seiner Gesamtheit“ zurück, beschuldigte den Internationalen Gerichtshof der Befangenheit und deutete an, zur Verteidigung seines Territoriums auch in einen Krieg zu ziehen. Ein Marinestützpunkt in der Nähe des umstrittenen Gebiets wurde kürzlich zu einem vollwertigen Militärstützpunkt aufgerüstet.

Somalia hat keine Marine. Präsident Mohamed versetzte deshalb sein Militär in Alarmbereitschaft, stellte Kenia ein am 29. Oktober abgelaufenes Ultimatum zum freien Zugang der umstrittenen Gewässer und forderte „seine Brüder“ der Terrormiliz Al-Shabab auf, ihren „Patriotismus durch den Schutz des nationalen Erbes“ auszudrücken. „Die somalische Regierung werde als Zeichen ihrer Dankbarkeit allen kooperierenden Al-Shabaab Brüdern Straffreiheit für vergangene Übertretungen gewähren“, erklärte der Präsident.

Die Situation wird zudem noch brisanter durch die Eigeninteressen Chinas und der USA. Somalia hat die Fischereirechte in seinem Hoheitsgebiet im Sommer 2019 komplett an China abgegeben (siehe meine News vom 22.06.2019, in ultimatefishingnews.com) und dafür einen Kredit über 200 Million Dollar bekommen, der in den Aufbau des Hafens von Mogadischu (zugunsten Chinas) gesteckt werden soll.

China, das mit rund 3400 Fangschiffen vor 93 Staaten über die größte Hochsee-Fischereiflotte der Welt verfügt, stellt seitdem mit Langleinern, Ringwaden, Grundschleppnetzen und Treibnetzen allem nach, was Flossen und Schuppen hat. Die chinesische Overseas Fisheries Association, die 150 Unternehmen (!!!) vertritt, will Medienberichten zufolge vor allem Thunfisch fangen, in über 100 m langen schwimmenden Fischfabriken verarbeiten – und ihn auch in Europa verkaufen.

Klar, dass China weitere 100.000 Quadratkilometer fischreicher Gewässer oberhalb der Nordkenia Bank zum konkurrenzlosen Ausbeuten hochwillkommen wären.  Und klar auch dass die Chinesen dort liebend gerne nach Öl und Gas bohren würden. Dass Kenia dem italienischen Energieunternehmen ENI bereits die Rechte zur Erdölexploration erteilte, dürfte die Chinesen kalt lassen.

Auf der kenianischen Seite stehen die USA, die eine Ausweitung chinesischer Machtansprüche im Indopazifik und dem afrikanischen Kontinent nicht mehr tatenlos zuschauen wollen. Zudem bekämpfen sie von Kenia aus die Al-Shabaab in Somalia und haben mit ihr noch eine blutige Rechnung offen. Im Januar 2020 hatte die Terrormiliz den kenianischen Militärstützpunkt bei Lamu angegriffen und drei Menschen getötet. Bei den Toten handele es sich um einen US-Soldaten und zwei zivile Vertragspartner des Pentagons, erklärte die US-Armee. Zudem wurden bei der Attacke auf den auch von den USA genutzten Flugplatz Manda Bay nahe der kenianischen Insel Lamu zwei US-Soldaten verletzt.

Das US-Militär werde die für den Angriff verantwortliche somalische Terrorgruppe zur Rechenschaft ziehen und weiterhin dafür sorgen, dass Al-Shabaab kein Rückzugsgebiet in Ostafrika habe, erklärte Africom-General Stephen Townsend damals. Al-Shabaab reklamierte den Angriff auf dem Flugplatz Manda Bay damals für sich. Ein „Trupp Elitesoldaten“ der „Märtyrerbrigade“ habe eine Basis des „amerikanischen Kreuzzugs gegen den Islam“ angegriffen.

Wie weit nun die beiden Supermächte USA und China in dem Stellvertreterkonflikt gehen werden und ob wir um Lamu noch ohne aufgestellte Nackenhaare fischen können, wird sich zeigen. Was uns entgehen könnte, zeigt dagegen folgendes Foto, gefangen am Popper Ende Oktober auf einem der Kingfisher-Boote.