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Adria-Thune laichen – aber wo

erstellt am: 30.06.2015 | von: Jürgen Oeder | Kategorie(n): Umwelt

Die Blauflossenthune machen sich von Ende Mai bis Anfang/Mitte Juli rar in der Adria und sind dann vermutlich irgendwo beim Laichen. Wo im Mittelmeer Blufins laichen, der Frage bin ich nachgegangen, mit einem Blick in die neuere Fachliteratur: Satt mit feinmaschigen Netzen mühsam im Meer nach Larven zu suchen, wie einst, genügen heute Gewebeproben von Thunen auf dem Markt. Daran können das Geschlecht und der Hormonhaushalt des Fisches bestimmt werden und ob der Thun schon laichfähig ist, vor kurzem abgelaicht hat, noch davor steht, oder ob seine Keimdrüsen  inaktiv sind. Solch eine Studie hat Vito Susca für seine Doktorarbeit (Untersuchung zur Reproduktionsbiologie des Roten Thuns im Mittelmeer) an der Uni Düsseldorf 2001 geleistet. Sie gibt einen ersten guten Einstieg in das komplexe und teils noch unerforschte Thema. Susca zufolge laichen die Bluefins im Mittelmeer generell von Mitte Mai bis Mitte Juli. Den Auftakt machen dabei Thune im östlichen Mittelmeer (vor der Türkei) im Mai und frühen Juni. Dann folgen zwei bis vier Wochen später die Fische im zentralen Mittelmeer (Malta und Zypern) und im Westen um die Balearen. Ausschlaggebend für den Beginn der Reproduktion ist neben der Wassertemperatur (+ 24°C) auch die Zahl der Sonnenstunden. Jeder Fisch laicht innerhalb dieser vier Wochen mehrere Male. Dieses sogenannte Portionslaichen ermöglicht die Besamung der Eier eines einzelnen Weibchens durch verschiedene Männchen und das Laichen in verschiedenen geographischen Gebieten. Dies trägt zu einer größeren genetische Vielfalt und zu einer höheren Überlebenschance der Larven in verschieden Orten mit unterschiedlichen Umweltfaktoren bei. Überdies laichen Thune generell an Strömungsfronten mit unterschiedlicher Temperatur und Salzgehalt, weil dort die Nahrungskette und damit das Futter für ihre Larven den Anfang nehmen. Dies trifft auch auf die Balearen zu. Dort, im größten Laichgebiet mischt sich eingeströmtes Atlantikwasser mit deutlich salzhaltigerem Mittelmeerwasser. Ausgeprägte Fronten finden sich meist südlich von Menorca, einem Laichplatz der Thune von Mitte Juni bis etwa Mitte Juli. Ähnliche Strömungsverhältnisse weist die südöstlichen Spitze Siziliens auf, dem zweitgrößten Laichgebiet. Eingeströmtes Atlantikwasser (der sogenannte Atlantic Ionian Stream) bildet vor dem Kap Passero Fronten mit dem Wasser aus dem Ionischen Meer und verdichtet dort in Wirbeln die wichtige erste Nahrung kleiner geschlüpfter Bluefins: Sardellen-Larven und anderes Zooplankton. Aber auch um Malta sind es Strömungsfronten, die die Thune anziehen. Ein weiteres Laichgebiet wurde 2004/05 zwischen der Nordküste Zyperns und der türkischen Küste bekannt). Die meisten Larven fanden sich der Studie zufolge (Col. Vol. Sci. Pap. ICCAT, 58(4): 1420-1428 (2005)) in der Bucht von Mersin. Wo Adria-Thune laichen ist aber weiter offen: Wissenschaftler fanden 1973 Eier und Larven auch am Ausgang der Adria. (Piccinetti, C. 1973. Stades larvaire et juveniles des thons en Adriatique. Acta biologica iugoslavica, Serija E, Ichthyologia, Belgrade 5 (1): 129-134 ). Piccinetti vertritt in einer Meta-Studie von 2013 (Collect. Vol. Sci. Pap. ICCAT, 69(2)891- 912, 2013) auch deshalb die These, dass Thunfisch-Larven schon nahezu überall im Mittelmeer gefunden wurden und Thune deshalb je nach Umwelteinflüssen auch überall laichen könnten. Als Ausnahmen benennt er den Golf von Lion (Spanien), die südfranzösische Küste, die nördliche Adria, sowie der Bereich um den Nordosten Griechenlands. Der Biologe führt als Beispiel eine Strömungsanomalie von 2011 an. Damals verlagerten sich großen Mengen warmen Wassers zwischen Italien, Libyen und Griechenland und führten dazu, dass Thune zum Laichen sehr viel weiter nach Osten zogen. Bluefins seien deshalb in der Lage, für ihre Reproduktion das gesamte Meer „opportunistisch“ nutzen zu können. In neueren Untersuchungen konnte allerdings nicht bestätigt werden, dass Thue in der Adria laichen. Womöglich dient sie (mittlerweile klimabedingt?) nur noch als Rückzugsraum und Jagdgebiet. Dies gilt womöglich auch für zwar geschlechtsreife aber gleichwohl laichunwillige Fische: Fünf Thune, die am Ausgang der Adria in den ersten Juli-Tagen gefangen worden waren, wiesen einen bemerkenswerten Hormonstatus auf. Die Fische hatten zuvor zwar Laich aufgebaut, dann aber wieder zurückgebildet, ohne zu laichen. Wissenschaftler gehen mittlerweile der These nach, dass sich erwachsene Weibchen während der Laichzeit in Nicht-Laichgebieten aufhalten können, nicht laichen und entwickelte Eier reabsorbieren. Auch Tagging-Studien der US-Biologin Barbara Block wiesen bereits nach, dass sich große weibliche Fische während der Laichzeit nicht in irgendeinem bekannten Laichgebiet aufhielten. Die Biologen gehen deshalb der Frage nach, ob es noch unbekannte Laichgebiete gibt, oder ob weibliche Thune womöglich nur einmal in zwei oder gar drei Jahre laichen. Dies scheinen auch Studien an Thunen in Mastfarmen nahezulegen (Liokaet al. 2000). Wo aber laichen nun die Adria-Thune: Wandern sie um den italienischen Stiefel bis Sizilien? Ziehen sie vor die türkische Küste, oder liegt in der Syrte-Bucht vor Libyen ein noch unbekanntes Laichgebiet? Für die Syrte spricht, dass dort im Mai und Juni dort große laichfähige Thune gefangen werden. Dafür spricht auch, dass ein in der Adria getaggter Fisch in die Große Syrte zog und dort erneut gefangen wurde. Dagegen spricht allerdings ein gewichtiges Indiz: In Schleppnetzstudien wurden dort bislang nur wenige Thunfisch-Larven gefunden wurden. Und um das Rätsel noch komplexer zu machen: Susca und weitere Autoren weisen darauf hin, dass es im östlichen Mittelmeer eine Population standorttreuer Bluefins geben soll, die im Sommer am Ende der reproduktiven Saison nicht aus dem Mittelmeer wandert. Erste DNA-Studien zur Verwandtschaft der Fische scheinen dies zu belegen: Bestände des westlichen und östlichen Mittelmeeres unterscheiden sich demnach zwar. Im Laichgebiet um Malta finde jedoch ein Genaustausch statt. Wo Adria-Thune laichen, ist also immer noch offen. Aber je mehr große Fische wir taggen, umso eher kann das Rätsel gelöst werden. Wichtig sind aber auch Gewebeproben, die unmittelbar vor, während und nach der Laichzeit  genommen werden.