Gift essen zum Wohle der Wirtschaft

Die EU will die Grenzwerte für Quecksilber in großen Raubfischen wie Hai, Marlin oder Schwertfisch verdoppeln, damit die Fischereiindustrie mehr Profit machen kann

EU will Quecksilber-Höchstwert in Raubfischen verdoppeln
Von Jürgen Oeder

Die EU will die Grenzwerte für Quecksilber in großen Raubfischen wie Hai, Marlin oder Schwertfisch aus wirtschaftspolitischen Gründen verdoppeln, wie nun die Verbraucherorganisation Foodwatch aufdeckte.  Mit anderen Worten: Uns Verbrauchern soll eine deutlich höhere Dosis des Nervengifts zugemutet werden, damit die Fischereiindustrie mehr Profit machen kann: Meeresräuber sind laut Foodwatch schon heute so stark mit Quecksilber belastet, dass auf Grundlage der noch geltenden Grenzwerte etwa 50 Prozent der Fänge nicht verkauft werden dürfen. Nach Verdoppelung der Grenzwerte wären dann nur noch 14,5 Prozent unverkäuflich. „Risiken und Nebenwirkungen verfehlter Industrie- und Umweltpolitik werden mit voller Wucht an Schwangere und Kleinkinder weitergereicht“, kritisierte Matthias Wolfschmidt von Foodwatch die Pläne.

Wolfschmidt zufolge sollen die Grenzwerte des Nervengiftes für große Fische am Ende der Nahrungskette wie etwa Hai, Schwertfisch oder Marlin von einem auf zwei Milligramm Quecksilber je Kilogramm Fisch angehoben werden.
Im Gegenzug für diese Lockerung will die EU laut Foodwatch die Grenzwerte bei anderen Fischen von derzeit 0,5 Milligramm auf 0,1 Milligramm Quecksilber pro Kilogramm „verschärfen“. Foodwatch bezeichnete dies aber als „Trick“, weil kleinere Friedfische meist so niedrig belastet sind, dass sie die geplanten Höchstwerte bereits heute einhalten. Die Absenkung bei Kleinfisch sei deshalb „ein perfides Ablenkungsmanöver, das allein der Wirtschaft hilft“, erklärte Wolfschmidt.
Das Arbeitspapier der EU-Kommission bestätigen dieses Kritik: Sprotten haben demnach  eine durchschnittliche Quecksilberbelastung von 0,03 mg und Forellen von 0,05 mg. Den bestehenden Grenzwert von 0,5 mg  auf dann 0,1 mg abzusenken wäre nichts als Augenwischerei. Am anderen Ende der Skala listet  die EU-Arbeitsgruppe den Schwertfisch mit einem Spitzenwert von 2,5 mg Quecksilber je kg Fleisch auf, gefolgt vom Marlin mit 2,4 mg und dem Atlantischen Bonito (Sarda sarda) mit 2,02 mg.

Quecksilber ist ein für den Menschen hochgiftiges Schwermetall, das sich über die Nahrungskette vor allem in Raubfischen stark anreichert. Das giftige Metall gelangt vor allem durch die Kohleverbrennung in die Umwelt. Die deutschen Kohlekraftwerke stoßen laut einer schriftlichen Auskunft des Bundesumweltministeriums an die Grünen-Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock mehr als sechs Tonnen Quecksilber im Jahr aus, zwei Drittel der in Deutschland emittierten Gesamtmenge. Die Konzentration von Quecksilber in Fischen etwa in Elbe, Rhein und Donau sei „dauerhaft und flächendeckend überschritten“, hatte der „Spiegel“ im März aus dem Papier zitiert.
 
Foodwatch ruft Verbraucher zum Protest gegen die Pläne der EU per Email-Aktion auf.  Dass Protest manches Mal viel bewirkt hat mir meine Aktion (gemeinsam mit Mitgliedern des BGFCD) gegen die Vermarktung von Marlin-Steaks „Jaipur“ durch Bofrost gezeigt. Wegen der Belastung der Fische mit Quecksilber hatte die Firma noch nicht geschlechtsreife Jungfische verarbeitet, um unter den Grenzwerten zu bleiben. Nach meinem Artikel in der Süddeutschen Zeitung nahm Bofrost den Fisch dann vom Markt. Wer nicht will dass sich so was wiederholt  kann dagegen in einer E-Mail-Aktion an die EU protestieren unter: www.quecksilber-aktion.foodwatch.de
Zum Arbeitspapier geht es hier:
https://www.foodwatch.org/fileadmin/Themen/Quecksilber/Quecksilber_Beratungsdokument_DG_Sante.pdf

Die Protestschreiben richten sich an den EU-Kommissar für Lebensmittelsicherheit  Vytenis Andriukaitis. Der Politiker und einstige Arzt (!) aus Litauen engagiert sich seiner Homepage zufolge für die „Modernisierung und Vereinfachung der EU-Politik zur Lebensmittelsicherheit“ und will mehr „Jobs, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit“. So sieht er aus:
 
 
 

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