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Mein erster Marlin

erstellt am: 07.12.2013 | von: Jürgen Oeder | Kategorie(n): Kenia, Reiseziele

Von Robert Kopp

Eine Story hier hat in mir fast vergessen geglaubte Erinnerungen geweckt – zum Fang meines ersten Marlins. Es war im Februar 2006 im kenianischen Watamu: Was für ein herrlicher Tag! Wir sind zu dritt und voller Motivation, Vorfreude und gespannter Erwartung auf der SEAHORSE von Kapitän Peter Ready. Patrick und ich hofften inständig auf unseren ersten Marlin, der Dritte im Bunde wollte sogar einen mit der Fliege fangen. An Bord angekommen, ging es auch gleich hinaus ins „blue water“ und bald wurden die Köder ausgelegt. Dann folgte unser interne Einteilung der Ruten und eine kurze Absprache für den Tag: „Wer schläft wird nicht geweckt“. Und: „Der, der am nächsten zur Rute steht übernimmt!“, waren unsere Regeln. Die ersten beiden Stunden verbrachte ich noch voller Hoffnung und Zuversicht am Heck des Bootes und beobachtete die Lures, wie sie mit langen weißen Fahnen durchs Wasser pflügten. „Nur noch eineinhalb Tage habe ich die Chance auf einen Blauen, und die Uhr tickt“, dachte ich. Unterdessen kämpfte Patrick mit der Übelkeit und klebte sich ein Pflaster hinters Ohr. Der Wirkstoff schickte ihn dann auch schon bald ins Reich der Träume. Es kehrte ein wenig Ruhe ein. Der dritte Mann verzog sich nach oben zu Peter auf der Flybridge und hielt mit ihm ein Schwätzchen. Etwas angegriffen von meinem Pflaster, das mich seit dem Abend zuvor verzierte, legte auch ich mich hin, mit dem festen Willen, nicht auch noch einzuschlafen. Ich beobachtete noch eine Weile die hypnotisierenden Lures hinter dem Boot. Doch nichts, absolut nichts tat sich. Meine Gedanken fingen deshalb an zu wandern und ich stellte mir vor: Was wäre wenn? Doch selbst in meiner Fantasie klappte der Auftakt zum Drill nicht so richtig. In dem Tagtraum stolperte ich vor lauter Aufregung auf dem Weg zur Rute über irgendwas, das vorher noch nicht auf dem Deck gelegen hatte. Und als ich die Rute aus der Halterung der Reling zog, riss mich der Marlin fast über Bord. Und die zwei Schritte hin zum Kampfstuhl ähnelten mehr dem torkelnden Gang eines Volltrunken, als den koordinierten Bewegungen eines Mannes, der weiß, was er tut. Was lief da schief? Ich ließ mir noch mal alles durch den Kopf gehen, um im Ernstfall nicht für eine Lachnummer zu sorgen: Also: Erst zur Rute, und aufpassen, dass ich nicht über etwas stolpere oder einen Mate umrenne, den ich in der Euphorie übersehe. Dann mit einem sicheren Stand die Rute aus der Halterung nehmen. Und wenn der Weg frei ist, kontrolliert und sicher in den Kampfstuhl. Nun drillen und aufpassen, dass die Schnur nie durchhängt und auch nicht gleich dem Fisch beim Springen zusehen, sondern auf die Rolle achten. Irgendwie sind mir die Gedanken nicht ganz geheuer und ich habe ein mulmiges Gefühl. Ich bin jedoch immer noch fest entschlossen, alles zu meistern. – Es müsste nur noch einer anbeißen. Inzwischen waren sämtliche Aktivitäten auf dem Nullpunkt angelangt. Wer nicht schlief, beobachtet still schweigend das auf und ab der Lures hinter dem Boot. Meine Augenlider wurden immer schwerer, doch plötzlich sprang ein Crewmitglied auf und rief laut: „Marlin! Marlin!“ Annähernd gleichzeitig begann auch schon die Rätsche an Patricks Rolle laut zu rattern. Der Mate drehte sich zu mir um und schaute mich fordernd an. Ich hatte ein komisches Gefühl dabei: Es ist ja eigentlich Patricks erster Marlin. Doch der schlief trotz des durchdringenden Lärms der Rolle weiter tief und fest. Ein kurzes Zögern noch, und schon stehe ich schon an der Rute, hole sie aus der Halterung und schlage gleichzeitig mit dem Beschleunigen des Bootes an. Die Crew ist unterdessen routiniert dabei, die anderen Lures aus dem Wasser zu holen und mir den Weg frei zu machen. Nachdem ich sicher im Stuhl sitze und der Marlin zum Stehen gekommen ist, beginne ich zu Pumpen. Das Gefühl ist unbeschreiblich! Ich spüre den Fisch, seine Kraft und seinen Willen, die Freiheit wieder zu gewinnen! Dann fällt mir während des Drills auf, was ich in meinem Tagtraum nicht berücksichtigt hatte: Es ist der Adrenalinstoß, der meinen Körper und Geist auf höchste Touren bringt. Plötzlich bemerke ich, dass der Fisch sein Verhalten ändert. Der Winkel der Schnur wird immer flacher. Kurz darauf sehe ich im Augenwinkel, wie der Marlin mehrmals springt. Was für ein wahnsinniges Gefühl! Die Crew ruft mir ständig irgendwas zu. Doch vor lauter Glücksgefühl und dem eindringlichen Gedanken, die Schnur auf Spannung zu halten, bekomme ich nicht mit, was sie von mir will. Was für ein Drill! Doch unvermittelt dreht der Marlin aufs Boot zu und schwimmt volle Kraft voraus. Peter gibt Gas, die Motoren wummern laut, und ich kurble was das Zeug hält, um „ihn“, den ich nun im Blickfeld habe, nicht zu verlieren. Dann endlich: Die Gefahr ist überstanden. Wenige Meter vor dem Boot dreht der Marlin ab; die Schnur ist stramm, der Haken sitzt noch. Nach einigen weiteren Minuten ist der Fisch am Boot und die beiden Mates versuchen, ihn unter Kontrolle zu bringen. Peter ruft nun laut mehrmals herunter, ich solle die Bremse öffnen. Ich bestätige ihm: Ja, habe ich schon getan. Zum Glück! Die Mates können den Fisch nicht halten. Der Marlin ist noch zu „grün“ und verabschiedet sich mit einem mächtigen Schwall für eine weitere Flucht. Ich schiebe den Bremshebel wieder leicht nach oben und kann den Fisch nach etwa 50 Metern stoppen. Nach weiteren fünf Minuten gibt der Marlin endgültig auf und ist längsseits am Boot. „Was sollen wir mit ihm tun?“, fragt Peter von oben. Ich weiß nicht, wie ich dem wunderschönen Tier für das Erlebnis besser danken kann, als ihn zu markieren und ihm die Freiheit zu schenken. „Wenn er eine Überlebenschance hat, soll er wieder schwimmen“, rufe ich Peter zu. Ich will lediglich ein Foto mit mir und dem Marlin, weil es mein erster ist. Gesagt, getan. Das Foto ist schnell gemacht, und der Fisch ebenso schnell wieder über Bord. Reanimiert von der Crew, kommt er wieder zu Kräften und verschwindet mit einigen Schwanzschlägen im tiefen Blau des Indischen Ozeans. Mein Glücksgefühl ist vollkommen, weil der Marlin eine reelle Chance, den Stress mit mir zu überstehen. Zugegeben, es war kein großer Marlin. Aber mein erster mit einem großen Erlebnis. – Danke, mein Erster!!!! Übrigens, Patrick konnte an diesem Tag auch noch seinen ersten Blauen fangen, was mein Gewissen trotz der Absprache sehr beruhigte.