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Männer, die ins Wasser starren

erstellt am: 22.11.2020 | von: Jürgen Oeder | Kategorie(n): Mallorca, News, Umwelt

Gute Charterboot-Skipper können mehr als nur Fischen. Ohne ein Talent zum Entertainer, der seine Gäste bei Laune hält – etwa wenn den Fischen das Maul vernagelt ist – , geht es nicht. Schlimm auch, wenn tagelanges Unwetter Ausfahrten ins Blaue unmöglich macht, wie nun vor Mallorca. Seit Donnerstagnacht bläst ein Sturm aus Norden mit 32 Knoten und baute mittlerweile mehr als 4,5 m hohe Wellen auf.

Was tun also? Angler mit Angeln beschäftigen, war die erste Strategie von Skipper Vince Riera. Und weil es früh Nacht wird und in der Bucht vor dem Hafen von Alcudia das Wasser noch ruhig war, fischten wir dort auf Squid.

Mit insgesamt 13 Kalmaren war der Ködervorrat dann gedeckt und vor allem auch kulinarische Wünsche bei mir befriedigt. Nur kurz angebraten in Olivenöl, mit Meersalz verfeinert und ein Glas Weißwein dazu, wunderbar!

Was aber tun am Tag? Auf meine Frage hin zeigte Vince in der Vorbeifahrt mit dem Auto auf Männer, die von Brücken aus ins Wasser starrten. „This!“, sagt er. – „Sind die depressiv oder melancholisch, weil sie nicht angeln können?“, witzelte ich. Dann aber zeigte Vinz auf die im Wasser verschwindenden Schnüre, die die Männer alle in der Hand hielten.

Des Rätsels Lösung war eine freudige Überraschung. „Sie fangen Blue Crabs, wir auch“, sagte Vinz. Die köstlichen Invasoren sind in Ballastwassertanks großer Schiffe schon längst im Mittelmeer angekommen und vermehren sich nun so explosionsartig, dass sie zum Fang von Hobbyanglern rund um Mallorca offiziell freigegeben wurden.

Und so standen an diesem Tag zwei weitere Männer am Ufer eines Kanals, starrten ins Wasser und warteten darauf, dass sich eine Blaukrabbe am Köder – dem Teil einer Hühnerkarkasse am Ende der Schnur – gütlich tat.

Diese Fischerei ist durchaus charakterbildend. Die Krabbe packt das knöcherne Stück am Grund des Ufers und will es ins Tiefe zu ihrem Versteck ziehen. Durchaus mit Kraft, denn sie hat zwei ausgesprochen kräftige Schwimmbeine. Dann heißt es, vorsichtig dagegenhalten. „Haben, haben, ziehen“, schreit nun die innere Gier. „Nein! Gaaanz langsam, sonst lässt sie los“, sagt der Verstand. Mal gewinnt der eine, mal schafft man es, die Krabbe über den am Ufergrund liegenden Kescher zu locken.

Nun, wir hatten bald etliche. Genug für Blaukrabbe als Vorspeise und in einer von Vince angerichteten Paella als Hauptgang, in der sich die Krabben mit Kaninchen, Hühnchen, Sepiamantel, Miesmuscheln und großen Prawns zu einer Delikatesse vereinten.

Etwas Köstlicheres als Blaukrabben habe ich nie zuvor gegessen, da reicht kein Hummer und keine Languste ran. Die Teile haben Suchtpotenzial. Heute stürmt es noch. Ich werde wieder am Wasser stehen und starren und denken: Krabben essen für die Umwelt!“