Big Game im Alten Rom

Den Drill des Blauflossen-Thuns, der „mit ungeheurem Leib das Meer durchstreift“, schildert Oppian zunächst treffend, zieht dann aber einen etwas fragwürdigen Schluss: „Denn sooft sie den scharfen krummen Haken gepackt haben, schießen sie schnellend in die äußerste Tiefe und tun der Hand des Fischers Gewalt an…

Von Dr. Henning Stilke

In vielem war das Römische Reich seiner Zeit weit voraus: Literatur, Wissenschaft, Kunsthandwerk, Architektur, Kriegsführung, – aber Big Game im Alten Rom, geht das nicht etwas zu weit?
Sicher ist, dass Fische bereits in der Antike nicht nur zum Nahrungserwerb gefangen wurden, sondern auch zum Vergnügen des Anglers. Kaiser Augustus und Königin Kleopatra sind nur zwei Prominente aus der Blütezeit des Römischen Reiches, von deren Angelleidenschaft uns Biografen berichten. Sicher ist auch, dass nicht nur kleine Fische gefangen wurden, sondern auch die Giganten des Meeres, Thunfische und Schwertfische. Auch davon berichten uns die alten Autoren.
Kann man aber die eine Gewissheit und die andere zusammenrechnen und daraus schließen, dass man in der Antike Big Game betrieben hat? Damit würde man es sich etwas zu leicht machen. Da Big Game aber ein schweres Geschäft ist, machen wir es uns schwerer.
 
Ein Thunfisch wird zu Ehren der Götter geopfert, Darstellung aus dem 5. Jahrhundert v. Chr.
Wer liefert uns eigentlich die Informationen über den Großfisch-Fang in der Antike? Die ersten interessanten Angaben machen, eher beiläufig, zwei namhaften Griechen: Herodot (ca. 490-420 v. Chr.) in seinen Büchern der Geschichte und Aristoteles (384-322 v. Chr.) in seiner Tiergeschichte. Ihnen folgen einige römische Schreiber, die den Fischfang ebenfalls nur am Rande betrachten. Die wichtigsten sind der Historiker Plinius der Jüngere (61-113 n. Chr.), selber bekennender Angler, und der Dichter Aelian (um 170-235 n. Chr.).
Neben einigen weiteren Autoren, die sich nebenbei zum Fischfang äußern, lebt im 2. Jahrhundert v. Chr. unser wichtigster Verfasser: Oppian, der wahrscheinlich im Jahre 177 n. Chr. seine Halieutica verfasst, das erste Buch der Antike, dass allein dem Fischfang gewidmet ist!
In diesem Buch geht es nicht nur um den kommerziellen Fischfang mit Netzen, sondern auch um den Fang mit Schnur und Haken. Der diente zwar auch dem Nahrungserwerb. Aber in die Beschreibungen des Kampfes zwischen Angler und Großfisch mischen sich emotionale Momente, die unzweifelhaft erkennen lassen, dass es bei dieser Art des Fischfangs um mehr ging als das reine Geschäft mit einem Nahrungsmittel. Die beiden Hauptakteure am Haken auf hoher See sind nicht zufällig der Thunfisch und der Schwertfisch. Sie werden als die wildesten und schwersten Gegner des Anglers beschrieben. Zu ihrem Verhalten und ihrem Fang gibt es einige sehr modern anmutende Beobachtungen, aber auch einige recht kuriose Vermutungen.
 
Oppian schreibt über deren „unstetes Wanderleben in der unermesslichen hohen See“ und über „weitab vom festen Land und ohne Umgang mit den Ufern.dahinstürmende Thunfische, unter den Fischen von besonderer Schnellkraft und Raschheit, die mit Recht so genannten Schwertfische und das übermächtige Geschlecht der Roten Thune“. Den Drill des Blauflossen-Thuns, der „mit ungeheurem Leib das Meer durchstreift“, schildert er zunächst treffend, zieht dann aber einen etwas fragwürdigen Schluss: „Denn sooft sie den scharfen krummen Haken gepackt haben, schießen sie schnellend in die äußerste Tiefe und tun der Hand des Fischers Gewalt an. Wenn sie aber am Grund anlangen, schlagen sie sogleich mit dem Kopf auf den Boden, reißen die Verletzung auf und speien den spitzen Haken aus“.
Eine etwas eigentümliche Passage enthält die Fangbeschreibung des Schwertfisches, über dessen Schwert es heißt: „… ein mächtiges Schwert, an Kraft dem Diamanten gleich. Stößt der Schwertfisch kraftvoll mit seiner schrecklichen spitzen Waffe zu, möchte nicht einmal härtester Fels die Wunde aushalten, so grimmig und feurig ist sein Angriff“. Wenn der Schwertfisch „mit verderbenbringenden Haken“ gefangen wird, „befestigen die Fischer am Haken keinen Köder, sondern der Haken hängt nackt und ohne Täuschung an der Schnur, mit doppelten Widerhaken geschärft. Etwa drei Hände weit vom Haken entfernt aber befestigen sie darüber einen weichen, weißen Fisch und binden ihn sachverständig an der Spitze des Mauls an. Sobald der Schwertfisch aber zufahrend herankommt, zerlegt er sogleich den Körper des Fisches mit seinem starken Schwert, und die zerschnittenen Glieder fallen herab aus der Bindung und legen sich gerade um die Schärfe des Hakens. Der Schwertfisch aber erkennt nicht den gekrümmten Trug, sondern schnappt nach dem drückenden Bissen und wird durch die Kraft des Mannes gefangen heraufgeholt.“
 
Dass tatsächlich mit einer solchen Technik gefangen wurde, darf bezweifelt werden. Wahrscheinlich wurde ganz richtig beobachtet, dass die Schwertträger auf ihre Beutefische einschlagen. Die Beschreibung der „Montage“ scheint aber auf einem Missverständnis zu beruhen. Vielleicht ist gemeint, dass der Köderfisch an den freien Haken gebunden wurde. Gefangen wurde zum einen mit lebendem Köderfisch, „wenn er zur Hand sein sollte“. Aber auch eine interessante Technik mit totem Köderfisch wird beschrieben. Dabei schiebt der Angler dem Fisch ein Stück Blei ins Maul und schleppt diesen hinter dem Boot. „Vom Blei beschwert, bewegt er den Kopf auf und ab gleich einem lebenden“.
Mit packenden Worten beschreibt Oppian den Kampf mit dem Fisch: „Denn die mächtigen Arme des Mannes und die Stirn, die Schultern und die Sehnen an Nacken und Knöcheln schwellen vor Stärke und spannen sich vor Kraft. Der Fisch aber kämpft zornig vor Schmerz und zieht den Fischer, der seinerseits empor zieht, und müht sich in unablässigem Streite, in die See hinabzutauchen… Die Schnur schwirrt, und aus der aufgerissenen Hand tropft Blut, doch lässt er keineswegs ab vom beschwerlichen Kampf… lange aber bringen beide gleiches Maß an Mühen auf und ziehen ohne abzulassen nieder und werden ohne abzulassen niedergezogen ­ so ist ihnen, Fischer und Fisch, der Kampf gemeinsam, ist der eine voll Verlangen, fortzustürzen, der andere, heraufzuziehen.“
 
Schon in diesen Worten erkennt jeder Angler, dass nicht von den Strapazen mühsamer Arbeit die Rede ist, sondern von einem Kampf, der neben äußerster Anstrengung auch Freude bereitet. Aber das sagt Oppian noch deutlicher, denn „nicht an Vergnügen mangelt es dir, wenn du dich vergnügen willst; angenehm ist vielmehr der königliche Fischfang“
Darf man nun von Big Game im Alten Rom reden? Sicher, das, was wir unter modernem Big Game verstehen, gab es nicht. Kräftige Schnüre und Haken für Big Game-Fische gab es aber schon. Auch das atemberaubende Gefühl, mit einem Thunfisch oder einem Schwertfisch an solchen Haken zu kämpfen, dieses Gefühl gab es ganz gewiss. Und was ist schließlich wichtiger am Big Game als das Gefühl?

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