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Bait and Switch auf Blue Marlin – Kap Verde

erstellt am: 27.05.2013 | von: Jürgen Oeder | Kategorie(n): Kap Verde, Reiseziele

„Anlocken und den Köder wechseln“. Dabei werden aus Lures hakenlose Teaser, die nur noch zum Anlocken der Fische dienen. Wenn ein Marlin sich solch einem Teaser nährt, wird dieser von einem Mate oder Mitangler so schnell eingeholt, dass der Fisch zwar dem Teaser folgt, ihn aber im Idealfall nicht zu packen bekommt. Erfahrene Marlin-Angler kennen das Gefühl. Im Laufe der Jahre haben sie beim Schleppfischen mit Lures zwar schon viele dieser Schwertträger gefangen. Doch dann keimt die nagende Erkenntnis, oft das Schönste dabei zu verpassen: Den Biss! – Zudem lässt der Reiz, einen 300-Pfünder am schweren 80-er oder gar 130-er Gerät zu drillen, im Laufe der Zeit beträchtlich nach.

Die aktive und selektive Alternative dazu heißt „bait and switch“ – also sinngemäß: „Anlocken und den Köder wechseln“. Dabei werden aus Lures hakenlose Teaser, die nur noch zum Anlocken der Fische dienen. Wenn ein Marlin sich solch einem Teaser nährt, wird dieser von einem Mate oder Mitangler so schnell eingeholt, dass der Fisch zwar dem Teaser folgt, ihn aber im Idealfall nicht zu packen bekommt. Unterdessen haben sich Angler und Kapitän – dieser sieht die Größe des Fisches von der flybridge oft noch besser – ein Bild von der Größe des Marlins gemacht und der Angler wählt eine für den Fisch passende Rute aus, die mit einem hakenbewehrten Köderfisch versehen ist. Ich fische vor den Kapverden meist drei verschiedene Schnurklassen (30, 50 und 80 lb.), weil dort Fische zwischen 200 und 1000 lb. jederzeit geraist werden können. Sobald der Teaser dann hinter dem Boot aus dem Wasser gerissen wird, wirft der Angler seinen Köderfisch ins Wasser (engl. „to pitch“, deshalb wird auch von „pitchbait“ gesprochen). Der Angler lässt den Köderfisch dann etwa 15 bis 20 Meter mit hoch erhobener Rute und der Rollenbremse auf Freespool vom weiterfahrenden Boot wegtreiben. Dann stoppt er das Auslaufen der Schnur mit dem Daumen auf der Spule und lässt den Köder auf der Wasseroberfläche bzw. den Wellen des Kielwassers springen wie einen flüchtenden Fisch. Meist dauert es nur wenige Sekunden bis der Marlin den Köder entdeckt. Das Bild, das dann folgt, ist mit Worten kaum zu beschreiben: Bei vielen Marlins sind mit der erfolgreichen „Flucht“ des Teasers Frustration und Aggression so groß geworden, dass sie sich oftmals nur wenige Meter hinter dem Boot mit weit aufgerissenem Maul auf den Köderfisch stürzen. Just in dem Moment, in dem der Angler den Schlag des Anbisses auf seinem Daumen fühlt, muss er die Rute schnell absenken und dem Fisch mit viel Gefühl und wenig Widerstand Leine geben, damit er sich mit dem Köder im Maul drehen kann. Nach einer kurzen Wartephase von ca. zwei Sekunden schiebt der Angler die Bremse auf Strike und setzt den Anhieb. Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass nicht jeder geraiste Fisch auch beißt, manchmal folgen die Fische dem Pitchbait minutenlang ohne es zu nehmen, oder sie verfehlen den Köder bei ihrer Attacke und verschwinden wieder in der Tiefe des blauen Wassers. Selbst für erfahrene Angler ist bait-and-switch eine immer neue Herausforderung. Schon die Phase des konzentrierten Wartens auf das Auftauchen eines Fisches ist extrem anstrengend. Zumindest ich will mich nicht darauf verlassen müssen, dass schon irgendwer an Bord den Fisch sehen wird, bevor er den Teaser schnappen kann. Also beobachte ich die Teaser die ganze Zeit über, um auch die passende Rute auswählen zu können. Bei meinem jüngsten Trip, zwei Wochen im April/Mai auf der ANDROMEDA vor den Kapverden, wurde uns (meinen Freunden Ewald und Jeroen, Skipper Olaf „Grimml“ Grimkowski, dessen Bruder Ingo, den Mates Lucas und Freddy und mir) dabei nicht langweilig. Wir hatten mit den beiden Wochen eine perfekte Zeit – für die Kap Verden auch mit relativ wenig Wind – erwischt. Wir wollten möglichst viele Fische mit 30 lb. und 50 lb. Stand-up- Tackle fangen, schweres 80 lb. Gerät aus dem Kampfstuhl sollte nur bei hohem Wellengang zum Einsatz kommen. Auf diese Art konnten wir auf pitchbaits 19 Marlins bis 650 lb. fangen. Zwei weitere Fische fingen wir bei schwerem Seegang, der anderes Fischen kaum zuließ, auf Lures mit 80-er Stuhlruten. Dazu kam noch ein Bigeye Tuna mit etwa 160 lb. Der Fisch hatte zunächst den für Marlin gedachten Teaser attackiert und dann beim dritten Anlauf Ingos Pitchbait genommen. Noch kurioser ist allerdings ein Erlebnis, das Matthias Henningsen auf der SMOKER wenige Tage zuvor gehabt hatte. Auch sein Köder war beim bait-and-switch von einem Bigeye attackiert worden. Der Fisch hatte allerdings nur die hintere Hälfte des großen angebotenen Ballyhoos erwischt und war damit verschwunden. Kurz drauf kam dann wieder eine Thunfisch-Attacke auf ein schnell ausgelegtes zweites pitchbait. Doch diesmal blieb einer am Pitchbait hängen, ein Bigeye mit stattlichen 280 lb. Und dann, beim Ausnehmen, fand sich im Magen die hintere Hälfte eines großen Ballyhoos. – Derselbe Thun war der SMOKER in Hoffnung auf einen weiteren Happen gefolgt. Unser nervenaufreibendstes Erlebnis: Ein Marlin mit deutlich über 1000 lb. attackierte einen Teaser in einem crash strike – und kam zurück als wir ein Pitchbait servierten. Der Marlin schwamm mit offenem Maul hinter den Köder her, „scheibenwischerte“ mit seinem Schwert – und verschwand wieder! Am vorletzten Tag dann eine Attacke, wie sie selbst der erfahrene Olaf noch nie gesehen hatte. Ein Marlin mit ca. 450 lb. hatte sich zunächst für den Teaser interessiert. Als wir dann ein Pitchbait auslegten, schoss er plötzlich 4-5m davon entfernt wie eine Rakete aus dem Wasser, beschrieb in der Luft einen eleganten Bogen und nahm den Köderfisch im Sturzflug und mit offenem Maul. Auch diesen Marlin konnten wir haken und fangen. – Unser „Kameramann“ hatte aber leider keine Chance, den Blitzangriff auf Video zu bannen. Alle 21 Marline konnten in sehr gutem Zustand released werden, der Haken saß ausnahmslos im Maulwinkel und keiner der Fische blutete, weil wir unmittelbar nach dem Strike den Anhieb setzten. Zum Einsatz kamen 9/0er Mustad Haken. Dass dies so gelang, verdanken wir auch natürlich auch unserem Skipper Olaf: Er kann Boot fahren wie kaum ein zweiter! Bei den meisten Fischen waren wir bereits nach wenigen Minuten am Fisch, sodass die Mates Lucas und Freddy mit den meist noch grünen Fischen alle Hände voll zu tun hatten. Mit großer Bewunderung und auch einem leisen „oh“ auf den Lippen schauten in den Wochen aber alle Angler und Skipper auf die Fangergebnisse der „BIG OH“ unter Ronnie Field. Die aus der Karibik nach Mindelo verlegte Privat-Yacht fing in fünf Mai-Tagen 51 von 65 geraisten Marlinen: Davon konnten 14 Marline am letzten Tag gehakt und releast werden. Dazu kamen noch ein Weißer Marlin und ein Speerfisch, die zu den Marlinen als Sahnehäubchen einen Grand Slam einbrachten. Das Geheimnis des Erfolgs? Neben der Top-Crew, die bei Competitions in den USA schon rund zwei Millionen Dollar Preisgelder einheimste, ist es vor allem das Boot selbst sein: Die 64 Fuß lange Hülle, ihre zwei Motoren und die Steigung der Schraubenblätter erzeugen im Zusammenspiel offenbar Frequenzen, die auf Marline eine magische Anziehungskraft haben.