Marokko-Thune: Woher-Wohin?

Der Fokus auf Blauflossenthune, die aus skandinavischen Gewässern zum Laichen ins Mittelmeer ziehen, ist derzeit groß. Was aber ist mit Thunen, die von „unten“ kommen, aus dem Süden? Vor den Kanaren werden ja etwa große Thune im März-April gefangen, die dann plötzlich verschwinden. Wohin? – Es könnten jene Fische sein, die in Netzfallen vor Marokko im Mai gefangen werden. Die Studie zu dieser Fischerei von N. Abid MOROCCAN TUNA TRAPS: HISTORY AND CURRENT SITUATION (Collect. Vol. Sci. Pap. ICCAT, 67(1): 124-138) gibt interessante Antworten.

Der Wissenschaftler wertete die Fänge der Tuna-Fallen an der Atlantikküste Marokkos über mehrere Jahrzehnte aus. Traditionell startete die Fallenfischerei Mitte April und dauerte bis Ende Juni. Wegen der Reduzierung der Gesamtfangmengen durch die ICCAT wird die Fangsaison seit 2010 bereits Ende Mai eingestellt.  

Die Thune ziehen sehr nah an Land entlang. Die Fallen liegen nahe an der Straße von Gibraltar, nur 3 Seemeilen vor der Küste in etwa 60 m tiefem Wasser

Abid stellte fest, dass im Mai am meisten Fisch in den Fallen gefangen werden. Die Größe der Fische lag im Durchschnitt bei 232 cm und 217 kg. Die Analyse des täglichen und monatlichen Durchschnittsgewichts ergab zudem eine „hierarchische Migration“: Zunächst zogen die großen Laichfische ins Mittelmeer, dann erst die kleineren.

Früher müssen unglaublich viele Thune diese Küste entlang gezogen sein: Zwischen 1927 und 1964 fing eine Falle im Durchschnitt 5270 Thune! Von 1965 an sank die Zahl auf nur noch 840 Fische pro Falle. Für diesen Einbruch ist laut Abid die Purse Seine- und Langleinenfischerei im Mittelmeer verantwortlich.

Die Studie von Gemma Quílez-Badia „SPATIAL MOVEMENTS OF BLUEFIN TUNA REVEALED BY ELECTRONIC TAGGING IN THE MEDITERRANEAN SEA AND IN ATLANTIC WATERS OF MOROCCO IN 2011, (in: Collect. Vol. Sci. Pap. ICCAT, 69(1): 435-453) zeigt, dass nicht alle Thune von Marokko ins Mittelmeeer ziehen!

Die Wissenschaftler markierten am 27. Mai 2011 acht bis zu 360 kg schwere Thune mit Satelliten-Tags, die in einer Falle vor Larache/Marokko gefangen worden waren. Drei der Fische verloren ihre Sender wenige Tage danach, ein weiterer Fisch starb.

Von den verbliebenen drei Thunen zogen zwei NICHT ins Mittelmeer: Ein Tag (Tag ID# 08A0395) löste sich nach 52 Tagen (18. Juli) östlich der Azoren, ein weiterer Fisch schwamm zu den Kanaren, wo sich das Tag nach 54 Tagen vor der Insel El Hiero löste.

Beim dritten Fisch (Tag ID# 10P0035) löste sich der Sender nach 300 Tagen bei den Azoren. Zuvor war der Fisch vom 25. Mai bis zum 23.Juli 2011 im Mittelmeer südlich der Balearen. Dort zeigte er vom 5. Juli bis 11. Juli das typische Laichverhalten:  Er schwamm langsam, extrem nah an der Oberfläche (47% der Zeit zwischen 2m und 10 m Tiefe) und er verbrachte rund 80% der Zeit in Wassertemperaturen von 24-27 °C.

Die Grafik zeigt die Tiefe (a) und Temperatur (b) in der der Thun ID# 10P0035 an jenen 300 Tagen unterwegs war. Die obere Grafik zeigt seine Zeit vom 25. Mai bis 23. Juni im Mittelmeer mit dem Laichverhalten vom 5.-11. Juli 2011.

Sobald er das Mittelmeer Ende Juli verlassen hatte, zog er vor die Nordwest-Küste von Irland ans Erris Ridge, wo er zwei Monate, vom 2. September bis 14. November, blieb. Dann reiste er nach Südwesten, überquerte den Mittelatlantischen Rücken und schwamm am 20. Januar wieder zurück vor die Westküste von Irland. Von dort aus zog es ihn an die Azoren, wo er am 2. Februar ankam. Er blieb in den Gewässern des Archipels, bis sich der Sender am 22. März südlich der Insel Terceira löste.

Die Laichzeit der großen atlantischen Fische dauert an den Balearen eine Woche, im Fall des getaggten Fisches lag die Zeitspanne knapp vor dem Vollmond am 15 Juli. Kleinerer Thune, die das Mittelmeer nicht verlassen, laichen dagegen den gesamten Juli über. 

Die Wanderwege der beiden anderen vor Marokko markierten Fische belegen den Wissenschaftlern zufolge, dass die Gewässer um die Azoren und Kanaren wichtige Standorte für die Thune sind, das Erris Ridge sei dagegen ein Jagdgrund für Ende des Sommers.

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