Unerwünschter Beifang: Trotz EU-Reform noch immer ein Skandal

Was die Union nun bis 2019 einschränken will, ist ein schamloser Skandal, der durch die Reform aber nur gemildert wird: Etwa 40 bis 60% aller in der Nordsee gefangenen Fische werden nach Schätzungen der EU als sogenannter Rückwurf wieder ins Meer gekippt. „Unerwünschter Beifang“ nennt sich das auch, weil die Fische etwa zu klein sind, keinen Marktwert haben, oder wegen Quotenvorgaben nicht gefangen werden dürfen. Im vergangen Jahr hat sich die EU auf ein grundsätzliches Rückwurfverbot in der kommerziellen Fischerei geeinigt. Was die Union nun bis 2019 einschränken will, ist ein schamloser Skandal, der durch die Reform aber nur gemildert wird: Etwa 40 bis 60% aller in der Nordsee gefangenen Fische werden nach Schätzungen der EU als sogenannter Rückwurf wieder ins Meer gekippt. „Unerwünschter Beifang“ nennt sich das auch, weil die Fische etwa zu klein sind, keinen Marktwert haben, oder wegen Quotenvorgaben nicht gefangen werden dürfen. Die höchsten Rückwurfraten weltweit gibt es in Europa: Allein in der Nordsee werden jedes Jahr über eine Million Tonnen Fisch tot zurück ins Meer geworfen!

Wie obszön dieses sinnlose Töten ist, macht eine Recherche von Greenpeace deutlich: Für ein Kilogramm Shrimps sterben zum Beispiel bis zu 20 kg andere Meereslebewesen. In der Nordsee werden für eine gefangene Scholle, vier tot zurück ins Meer geworfen, nur weil sie zu klein sind.

Das Rückwurfverbot soll dieses sinnlose Töten nun einschränken und unerwünschter Beifang deshalb bis 2019 nach und nach angelandet werden. Doch es gelten erhebliche Ausnahmen, die (wie zu erwarten) von Spanien und Frankreich zum Schutz ihrer Fischer vor einem allzu großen Schutz der Fische durchgesetzt wurden: Demnach dürfen weiterhin bis zu fünf Prozent der jährlichen Gesamtfangmenge von Arten mit Fangbeschränkungen über Bord geworfen werden. Zudem können Beifänge von Arten ohne Fangbeschränkung und von geringem wirtschaftlichem Interesse komplett als Müll entsorgt werden. Die Summe dieser und weiterer Ausnahmen macht die Kontrolle des Rückwurfverbots nach Auffassung von Umweltschutzverbänden sehr schwierig.

Beim Überwachen helfen könnten Videoüberwachungen in Echtzeit an Bord. Ihre Einführung hat die EU-Kommission den Mitgliedstaaten zwar empfohlen, allerdings auf „freiwilliger Basis“. Dänemark und Schweden haben dies für größere Trawler beschlossen, die im Skagerrak operieren: Sie müssen nun Kameras installieren. In den Südländern der EU wird darüber heftig diskutiert. „Ehrliche Fischer brauchen so was nicht“, heißt es. – Stimmt, die nicht.

Den toten Fischen nützen selbst verschärfte Kontrolle aber ebenso wenig, wie den Fischern, die ihre Laderäume ja auch nicht mit unerwünschtem Beifang füllen wollen. Die Fischer sind deshalb auch zum Wohl der Fische auf neue Fangtechniken angewiesen – selektive Netze etwa.
Die Entwicklung solch neuer Techniken fördert die Umweltschutzorganisation WWF mit gut Preisen: So entwarfen US-Berufsfischer gemeinsam mit einem Netzhersteller ein neuartiges Schleppnetz, das beim Fang von Schellfisch den unerwünschten Beifang der im Westatlantik bedrohten Kabeljau-Bestände sowie den von Flundern verhindert.
Die Fischer machten sich dabei die Erfahrung zunutze, dass Schellfische, die in ein Schleppnetz geraten, instinktiv nach oben schwimmen, Kabeljau aber sofort nach unten: Der Netzsack bekam deshalb am Boden bis zu 2,4 m große Maschen, die sich seitlich auf 80 cm verjüngen und oben nur noch 20 cm groß sind. Zudem bleibt das Netz und damit auch die Maschen über einen neuartigen Schlepp-Drachen in der Höhe immer weit geöffnet. Überdies wurden die Rockhopper genannten Scheiben am unteren Netzrand, die normalerweise durch den Meeresboden pflügen, so modifiziert, dass sie weniger Kontakt zum Grund haben, und Fische deshalb nach unten entkommen können.

Bei Praxistests zeigte sich dann, dass der Kabeljau-Beifang in dem cleveren Netz um 81 Prozent zurückging und der von Flundern sogar um 95 Prozent. Dem WWF war diese Leben schonende Neuerung ein Preisgeld von 65.000 US$ wert.

Aber auch wir Konsumenten können etwas tun: Beim Kauf von Fisch auf das blaue MSC-Siegel achten, die der Marine Stewardship Council für nachhaltige Fischfangpraktiken vergibt. Wir, der Souverän, können unsere Abgeordneten darüber hinaus nun kurz vor der Europa-Wahl per Mail fragen, wie sie es halten mit einer nachhaltigen Fischereipolitik und ob sie sich einsetzen für die Schaffung zusätzlicher Fangverbotszonen, etwa zum Schutz von Jungfischen.
Was Schutzzonen übrigens bringen, zeigen Untersuchungen zu den Windparks in der Nordsee (siehe mein Artikel: “Offshore Windparks – Aufwind für Fisch und Hummer!“ ). Zwischen den Windmühlen kehrt das Leben zurück und selbst Makrelenbestände erholen sich, denn dort heißt es für die Fischereiindustrie: „Wir müssen draußen bleiben!“

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