Mein Thun – Dein Thun: Woher-Wohin?

Skandinavische Biologen haben im August-Oktober über 90 Blauflossenthune mit Satellitensendern versehen. Woher kommen die Fische und wohin ziehen sie. Hier einige Antworten…
Skandinavische Biologen haben im August-Oktober über 90 Blauflossenthune mit Satellitensendern versehen. – Dies war ihnen möglich, weil so viele Thune wie seit 50 Jahren nicht mehr in ihre früheren Jagdgründe zurückgekehrt sind und weil Angler mit ihren Booten im Dienste der Wissenschaft Thune zum Besendern fingen.
Dass wir alle nun bald wieder vor der Haustür auf Bluefins angeln können, oder gar im Öresund wieder internationale Competitions auf Thun abgehalten werden, wie einst 1949-1953, ist aber vorerst kaum zu hoffen: Die dänische Regierung hat wiederholt mitgeteilt, dass sie einen Teil der EU- Quote abhaben möchte, um auch eine kommerzielle Fischerei auf Blauflossenthun aufbauen zu können. – Doch der Thun vor Skandinaviens Küsten ist aus Sicht der spanischen Fangflotten deren Thun und von diesem Kuchen werden sie freiwillig kein Stück abgeben.

Verteilt werden die Quoten von der ICCAT (International Commission for the Conservation of Atlantic Tuna) in der über 50 Fangnationen vertreten sind. Diese Kommission trägt bei Kritikern den Namen „International Conspirancy to Catch All Tunas“, weil sie die Maximalfangquote notorisch über die Empfehlungen der Wissenschaft ansetzt. Die EU-Quote von demnächst 19.000 Tonnen teilen sich folgende Staaten auf: Spanien, Frankreich, Italien, Kroatien, Griechenland, Portugal, Malta und Zypern. Norwegen, das nicht zur EU gehört, hatte zuletzt eine Quote von knapp 44 Tonnen.  Dänemark, Schweden und  England werden Fangquoten bislang ebenso verweigert wie Irland, wo in der vergangenen Saison vor Donegal im Westen allein ein Skipper (Adrian)  191 Thune  markierte (durchschnittlich 4 Bluefins am Tag).
So manche Angler richten nun ihren Blick auch auf England. Dort werden an der Küste vor Cornwall seit 3 Jahren erfolgreich Thune markiert. Die Hoffnung: Nach einem Austritt aus der EU könnte das Land leichter ein Quote bekommen und eine Catch &Release-Fischerei für Sportangler aufbauen. Die Bestrebungen sind schon im Gange.

 Doch von Anfang an:
Bei dem Markierungsprogramm unter Leitung der Wissenschaftler Kim Arrestrup und Brian Mackenzie von der Dänischen Technischen Universität (DTU Aqua) konnten in enger Zusammenarbeit mit der ICCAT im Skagerrak innerhalb weniger Wochen 91 Blauflossenthune in der Größe von 200-400 kg gefangen und besendert werden. Lebende Makrelen erwiesen sich als besonders gute Köder

An dem Projekt hatten sich dem Meeresbiologe Sven Hille (Danke für die Infos!) zufolge 70 überwiegend dänische aber auch schwedische Angelboote beteiligt. Mit dabei war aber auch ein deutsches, die YELLOWFIN der Rostocker Andreas und Kevin Stachs. Sie konnten am letzten Projekttag zwei Bluefins erfolgreich drillen und dem Markierungsboot übergeben.


Die dänischen und schwedischen Wissenschaftler werden nun im Einklang mit ihren Kollegen etwa aus Norwegen erneut beweisen, was seit den 1920er Jahren bekannt ist: Atlantische Bluefins sind nur für wenige Monate zum Laichen im Mittelmeer. Danach ziehen sie über die Biscaya bis vor Skandinavien, um sich dort innerhalb von nur 3-4 Monaten ein dicken Speckmantel anzufressen. Große Thune mit 300 kg und mehr legen dabei in kurzer Zeit über 50 kg an Gewicht zu!

Der französische Wissenschaftler Le Gall beschrieb bereits 1927 anhand von Fängen der Berufsfischer diese Wanderwege. Die Fische zogen damals im Juli-August in großer Zahl um die Westküste Irlands in die Nordsee und dann nach Südwestnorwegen. Im Skagerrak und Kattegatt hielten sie sich von Juli bis Oktober auf und im Oktober an der Westkante der Dogger Bank. Im November-Dezember wurden sie dann auf der Sole Bank südwestlich von Cornwall regelmäßig an der Oberfläche bei der Jagd gesichtet.
Der US-Wissenschaftler F.J Mather stellte dann 1995 in einer umfassenden Studie (Life History and Fisheries of Atlantic Bluefin Tuna. NOAA Technical Memorandum NMFS-SEFSC-370) alle bis dahin vorliegenden Kenntnisse zusammen und fand Wanderungen nach Altersgruppen.

Demnach ziehen die ältesten und damit größten Fische am weitesten nach Norden. Fische mit 50 bis um die 100 kg wurden 1928 vor allem im Skagerrak gefangen. Die über 7 Jahre alten Fische kamen Anfang Juli vor Bergen an und zogen die Küste hinauf. Mehr als 10 Jahre alte Giganten mit bis 150-300 kg gingen dann nördlich von Trondheim an die Haken.

Den Rückweg der Fische ins Warme belegte eine Studie des Biologen J. Hamre. Er markierte  vor dem norwegischen Bergen zwischen 1957 und 1962 jeweils im August und September große Bluefins. Sechs der Fische wurden zehn Monate später nahe Cadiz, Spanien gefangen, vermutlich auf dem Weg zu ihren Laichgründen im Mittelmeer (Hamre, J. 1 963c. Tuna tagging experiments in Norwegian waters, FAO Fisheries Reports, Rome6 (3):  1125-1132).
Doch warum werden bis zu 400 kg schwere Thune im Skagerrak gefangen? Auch darauf fand Hamre schon 1965 eine Antwort: Nachdem die mittelgroßen Bluefins 1963 wegen Überfischung vor Norwegen ausblieben, änderten die Giants ihre Wanderweg und zogen auf dem südlichen Wanderweg ins Skagerrak und Kattegat.
Das mutmaßliche Überwinterungsgebiet verortete Mather anhand der Fänge japanischer Longliner (!) dann im offenen Atlantik zwischen den Azoren, Kanaren und Marokko.

All dies werden nun die aktuellen Markierungsstudien vermutlich auch belegen: Ein erster Sender wurde im September vor Norwegen treibend gefunden, nahe an dem Ort, an dem der Thun ein Jahr zuvor getaggt worden war!

Eine eindeutige Antwort könnte das dänische Programm auf die Frage bringen, wo genau die Tiere überwintern. Vor Marokko? Im offenen Atlantik? Oder doch in der Nähe der Kanaren: La Gomera? Sie ist mittlerweile bekannt für gutes Angeln auf große Bluefins im März-April.   
Wem die ewigen Wanderer damit nun eigentlich „gehören“, ist eine müßige Frage. Verantwortlich für sie sind alle Nationen gemeinsam.
Klar ist aber, wer die Schuld am Zusammenbruch der Bestände trägt. –  Die norwegischen Wissenschaftler Leif Nøttestad, Øyvind Tangen und Svein Sundby wiesen 2004 nach, dass es weder an Klimazyklen lag, die sich wie etwa der Nordatlantischen Oszillation (NAO), oder die  Atlantic Multidecadal Oscillation über Jahrzehnte hinweg ändern. Und es lag auch nicht an der zeitweisen Überfischung von Futterfischen: Vor Skandinavien schwimmen Nøttestad zufolge im Sommer 20 Millionen Tonnen pelagischer Fisch, an dem sich Thune sattfressen können, vom Hornhecht im Kattegat bis hin zu den fetten Köhlern vor Norwegen.
Ursache des Rückgangs war laut Mather die Überfischung der Thun-Bestände in ihrer Kinderstube, der Biscaya. (Sicherlich haben auch die Norweger mit zur Überfischung beigetragen. Im Rekordjahr 1952 fingen sie rund 15.000 Tonnen Thun.)  ‚Schuld‘ am Zusammenbruch hatten vor allem die Franzosen. Sie wüteten ab 1947 mit neuen Fangmethoden in der Biscaya und fingen dort 1-3 Jahre alte Jungfische in solchen Massen, dass die Bestände über die Jahre atlantikweit zusammenbrachen.
Mather schreibt auf Seite 39:
The introduction of the live bait method in Spain and France in the years 1947-1949 (…) resulted in a specialized fishery for bluefin. The catches of this species consequently increased greatly in the 1950s. (…) It appears that the landings varied between 1,000 and 1.500 tons in 1945-1949, then rose to between 2,700 and 5,500 tons in 1949-1959. The catches (…) attained 2,100 and 3,300 tons in 1965 and 1966, respectively. Catches in the early 1970s have evidently been somewhat over 2,000 tons per year.
Kein Wunder, dass dies zur Katastrophe führte: Ein etwa 1 Jahr alter Bluefin wiegt 4 kg, mit 2 Jahren 11 kg und mit drei 22 kg. Die Mengen so entnommener Kleinfische, die nie zum Erhalt der Art beitragen konnten, müssen unvorstellbar gewesen sein.
1969 gründeten die Fangnationen dann zwar die ICCAT.  Doch vom nachhaltigen Management, der  „Conservation“ im Titel der Organisation, war bald keine Rede mehr, stattdessen eher von „Conspicancy“: 1975 legte die ICCAT ein Mindestfanggewicht von  (man glaubt es kaum) 6,4 kg für Blauflossenthune fest (also rund ein Zehntel des Gewichts laichreifer Fische!!!). Weil dann aber so mancher Netzfischer trotzdem Einbußen befürchtete, wurde überdies entschieden, dass 15% der angelandeten Fische auch kleiner als 6,4 kg sein dürften!
Erholt haben sich die Bestände erst in den vergangenen zehn Jahren – allein wegen des Mutes der griechischen EU-Kommissarin Maria Damanaki. Sie legte sich mit der industriellen Fischerei an und setzte 2007 eine massive Fangreduzierung von 27.500 Tonnen auf 13,400 Tonnen bis 2014 durch. Die Zahl der zum Glück überaus fruchtbaren Fische wuchs seitdem so stark, dass Freizeitangeln auf Bluefin vor Skandinavien und Großbritannien nun wieder möglich wäre. Etwa im Öresund vor Dänemark: Dort angelte selbst der schwedische König Gustav VI. mit Rute und Rolle auf Thun. 1948 wurden dort noch 350 Thune gefangen, 150 von Anglern und 200 von Berufsfischern mit Handleine, der schwerste wog knapp 500 kg.

Auch König Gustavs Sohn, der amtierende Carl XVI (Bildmitte) zeigt sich interessiert an dem Markierungsprogramm.

Ab 1950 wurden sogar internationale Competitions ausgerichtet, an welchen bis zu 100 Boote teilnahmen und dazu Teams aus den USA, Australien und Südafrika anreisten.
Solche Competitions wären sicher ein Vorbild für heute: In einem ersten Schritt müssten die betroffenen Länder eine Quote bekommen und davon dann einen Teil an die Freizeitangler weitergeben. Allerdings kontrolliert  für Competitions mit einer jeweiligen  eigenen Entnahmequote. Dies ist in Kroatien seit Jahren so üblich. In einem zweiten Schritt könnten dann lizensierte Charterbootskipper (überwacht wie ICCAT-Boote mit einem satellitengestützten Tracker an Bord) eine eigene Entnahme-Quote ersteigern. Auch hier ist Kroatien mit 500 kg pro Lizenz und Jahr ein Vorbild. Dr so erwirtschaftete volkswirtschaftliche Benefit mit Hobbyanglern wäre größer als die Profite der Reeder.

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