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Marlin vor Rangiroa
Von Kai Jendrusch
„Südsee“ – Allein das Wort verheißt paradiesische Zustände. Der zivilisationsmüde französische Maler Paul Gauguin fand dort auf Tahiti sein Glück. 350 km nordöstlich davon, auf dem nicht nur lautmalerisch schönen Atoll Rangiroa habe ich im Februar 2012 auch glückliche Momente erlebt – beim Fang meines ersten Marlins.
Der Weg zu diesem Glück war allerdings weit. Das 80 km lange und zwischen 5 und 32 km breite Atoll liegt am anderen Ende der Welt. Allein der Flug von Frankfurt über Paris und Los Angeles nach Papeete (Tahiti) dauert 25 Stunden. Dort hat man dann 4 Stunden Aufenthalt und fliegt in knapp einer Stunde weiter nach Rangiroa.
Insgesamt sind wir 13 Leute die Anfang Februar 2012 von Frankfurt Airport in Richtung Südsee aufbrechen. Das Freigepäck von zwei Mal 23 kg pro Person sowie Handgepäck reizen mein Freund Andreas und ich voll aus. Das Rutenrohr wird – wie von Anfang an geplant – als Sportgepäck deklariert. Es ist mit Jigs gespickt, wiegt 17 kg und wird problemlos bis Papeete durchgecheckt.
Der Flug nach Tahiti mit den beiden Zwischenlandungen verläuft besser als erwartet. Mir gelingt es tatsächlich, einige Stunden zu schlafen und so bin ich, als wir um 4:15 Uhr Ortszeit in Papeete landen, gut ausgeruht.
In Papeete erwartet uns eine Überraschung. Die Freigepäckgrenze für den Inlandsflug liegt bei lediglich 20 Kg. Andreas und ich müssen deshalb 109 € zahlen. Ein stolzes aber noch verkraftbares Sümmchen. Zumal sich herausstellen sollte, dass damit auch der Rückflug abgegolten war.
Mit Regenschirmen wird jeder von uns dann zur Maschine der Tahiti Air gebracht. Aber im Landeanflug zeigt sich die Südsee von ihrer besten Seite. Strahlender Sonnenschein und türkisfarbenes Wasser – wirklich ein Traum!
Die Hütten an unserem Zielort hätten auch Gauguin erfreut: unmittelbar am Meer, mit jeweils einer schönen kleine Terrasse, Palmen und einem unglaublich schönen Licht. Der Einzelzimmerzuschlag war gut angelegt!
Für mich stand bei der Reise von Anfang an die Entspannung im Vordergrund. Neue Fischarten waren nicht zu erwarten und auch keine Rekordfische auf dieser Pioniertour. Die Unterkünfte sind sicher etwas spartanisch, dafür entschädigt aber die Lage um ein Vielfaches. Auch ohne Fischen kann man hier 12 Tage gut verbringen, indem man ein Buch liest oder einfach mal ausspannt. 12 Tage ohne Arbeit, ohne Akten und ohne Stress in der Südsee. Jeden Fisch den ich fange, verbuche ich als Bonus: Nach einer vermasselten Kuba-Tour hatte ich beschlossen, Angelreisen nicht mit zu hohen Erwartungen zu überfrachten, um im Nachhinein nicht enttäuscht zu sein.
Mit 3.900 € inklusive Einzelzimmer (allein der Flug kostet 1.600 €) war die Reise für Südseeverhältnisse günstig. Dass in diesem Preis ein Boot für zwei Personen, 10 Tage a 6-8 Stunden inbegriffen sein sollte, hatte mich bereits bei der Buchung erstaunt. Wer die Charterpreis im Allgemeinen und die in der Südsee im Besonderen kennt, der dürfte sich wundern. Vor Ort wurden wegen einiger Missverständnisse dann 4-6 Stunden Angeln daraus, aber mich störte das nicht.
Am ersten Abend sind wir schon alle früh im Bett. Doch gegen 3 Uhr nachts werde ich wach. Es stürmt und regnet sehr stark. Unter meiner Tür kommt Wasser rein, das Bad ist geflutet. Ich kann wieder einschlafen und wache gegen 6 Uhr erneut auf. Alles wie zuvor. Ein Sturm braust und es regnet, was vom Himmel kommt. An Angeln ist nicht zu denken. Gegen 7 Uhr wird es etwas ruhiger und wir frühstücken. Doch immer wieder kommt Wind und Regen auf. Die Ausfahrt wird auf 13 Uhr verschoben.
Unser Mitreisender Chris aus Luxemburg spricht französisch und erweist sich als guter Dolmetscher. Die Stimmung ist mittlerweile etwas angespannt. Auch ich bedauere, dass wir noch nicht zum Fischen gekommen sind. Sofern man sich aber nicht zu viel vorgenommen hat, kann man auch nicht enttäuscht sein. Im Übrigen stehen uns noch 9 Tage bevor, da sollte sich doch der eine oder andere Flossenträger erwischen lassen.
Gegen 13 Uhr kommen dann die Boote. Es sind leider anstelle der benötigten sechs nur fünf. Ein Boot war nicht angesprungen. Das ist aber auch kein Beinbruch, weil man ohne weiteres auch zu Dritt auf den Booten fischen kann.
Andreas und ich können zu zweit rausfahren, weil die von uns angestrebte Fischerei, also mindestens 50 % Trolling, den anderen nicht ins Konzept passt. Unser Skipper Roger ist ein echter Glücksgriff. Er ist sehr freundlich, auch wenn die Kommunikation, mangels vorhandener Englischkenntnisse etwas schwierig ist. Gleichwohl verständigen wir uns mit Händen und Füßen, was auch gut klappt. Wie geplant überlassen wir es dem Skipper, welche Art der Fischerei zunächst betrieben werden soll. Roger meint, dass derzeit die Fischerei auf Yellowfins gut wäre. Das lassen wir uns natürlich nicht zweimal sagen. Mit voller Kraft düsen wir aufs Meer hinaus. Sehr bald kommen raubende Tunas in Sicht. Den ersten Biss der Reise erhalten wir auf unsere Allzweckwaffe, den blau-weißen Ilander. Andreas kann einen ordentlichen Yellowfin um die 25 Kg ins Boot bringen.
Der Fisch wird an Bord sofort ausgenommen und auf Eis gelegt. Alle Fische, welche wir in den kommenden Tagen fangen, werden verwertet. Nur ein Barrakuda erhält eine Seebestattung.
Wir trollen etwa eine halbe Stunde und weitere Bisse kamen nicht hinzu, obschon wir immer wieder Tunas rauben sehen. Roger schlägt vor, dass wir zu einer Stelle fahren, an der wir Jiggen können. Wir kurbeln also die Trollingruten ein, und dabei beißt bei mir ein Yellowfin auf die 30er. Er macht nur eine kleine Flucht und kann doch relativ schnell an Bord gebracht werden. Der zweite ca. 25 kg schwere Yellowfin ist gefangen.
Beim anschließenden Jiggen bekommen wir keinen Biss. Mir scheint, dass das hier nicht die bevorzugteste Fischerei ist. Wir Fischen quasi im Niemandsland. Selbst mit 350 g. Jigs kommen wir nicht auf Grund, obwohl die Strömung nicht sehr stark ist.
Von den anderen Booten kommen keine nennenswerten Fangmeldungen. Von Abrissen ist die Rede und von vielen Haiattacken. – Auf einem Boot hat ein Hai dem Skipper in die Hand gebissen, als dieser versuchte, den Fisch für ein Bild an Bord zu holen. Nach 45 Minuten ist daher für Chris und Gerald der Angeltag vorbei. Der Finger des Skippers muss mit 7 Stichen genäht werden, dazu muss er eine Schiene tragen. Gleichwohl ist er am nächsten Tag wieder am Ruder.
Am nächsten Tag haben wir einen Marlin dran, der nach einer Flucht von etwa 400 m den Haken abschütteln kann. Bis 12 Uhr tut sich nichts mehr, dann bekommen wir einen Dreifachbiss. Yellowfins, sogar an der getrollten Jiggingrute. Wir können alle drei Thune landen. Sie bringen jeweils um die 25 Kg auf die Waage. Ich bin sehr zufrieden. Die anderen Boote melden eine ca. 10 Kg schweren Doggie, welcher von René gejiggt wurde, daneben Abrisse und Haiattacken.
Im Hinblick darauf, dass – mit Ausnahme des Doggies von René – das Trolling am erfolgversprechendsten war, bleiben wir am nächsten Tag dabei. Gegen 8:15 Uhr erhalten wir die erste Marlinattacke. Der Marlin ist sehr gut zu sehen, bleibt aber nicht hängen. Gegen 11 Uhr verirrt sich ein ca. 1m langer Barrakuda an einen Lure. Ganz offensichtlich war er in suizidaler Absicht unterwegs. Von Drill kann keine Rede sein.
Gegen 11:30 Uhr dann der erste Marlinbiss dieses Tages. Der Fisch legt wieder eine tolle Sprungserie hin. Doch es ist wie verhext. Die Doppelleine ist schon auf der Rolle und plötzlich ist der Zug wieder weg, der Fisch frei. Andreas trägt es mit Fassung.
Eine Unwetterfront taucht am Horizont auf. Wir erwischen noch einen 20 Kg Yellowfin und ein weiterer steigt aus. Es beginnt zu regnen und die See wird rauer. In Anbetracht des herannahenden Unwetters entschließen wir uns, zurückzufahren. Doch es kommt, was kommen muss. Ein Biss an der 30er. Roger hat meinen Gegner klar als Marlin identifiziert. In meinem „Leibchen“ starte ich den Drill.
Es regnet derweil in Strömen und die ausgewaschene Sonnencreme brennt in meinen Augen. Der erste Run des Marlins war beeindruckend. Ich schätze, dass er mir zwischen 400 und 500 Meter abgenommen hat. Langsam gelingt es mir, die Spule wieder etwas zu füllen. Doch der Fisch hält ordentlich dagegen. Zum Platzregen gesellt sich derweil das eine oder andere Donnergrollen. Der Marlin scheint das zum Anlass zu nehmen, nicht zu springen. Er bleibt getaucht. Kurbelumdrehung um Kurbelumdrehung bringt mich dem Fisch näher. Er legt aber noch zwei Zwischenspurts ein. Ich bin derweil völlig durchnässt.
Wider Erwarten, habe ich aber überhaupt keine Probleme mit meinem Rücken während des Drills. Ich sitze auf der Eiskiste und kann mich mit den Füßen an der Reling abstützen. So kann ich über das Leibchen den Druck auf die Rute halten und teilweise auch mit den Armen gegensteuern. Bis auf den verdammten Regen ein sehr schöner Drill. Die Doppelleine kommt auf die Rolle und der Wirbel in Sicht. Auf großen Booten würde der Fisch jetzt wohl relativ schnell gewiret und releast. Nicht so bei uns. Ich bin mir nicht sicher, ob es die allgemeine Taktik ist oder ob es dem Seegang geschuldet ist, dass Roger mich gefühlte 7 Stunden (tatsächlich wohl 10-15 Minuten) sitzen lässt, in denen der Fisch müde werden soll.
Nach einer Ewigkeit signalisiere ich Roger, dass der Marlin jetzt wohl bereit zum Landen sei. Als ob er mich verstanden hätte, macht er jüngst in diesem Augenblick seine letzte Flucht. Er kommt zwar nicht weit, bringt mich aber doch nochmal in Wallung. Roger grinst nur und meint, der Fisch sei da wohl doch nicht einer Meinung mit mir. Es regnet und gewittert weiter. Durch die Sonnenbrille sieht die Lage noch viel düsterer aus, als sie tatsächlich ist. Nach weiteren 10 Minuten landet Roger den Marlin. Dieser leistet keinen Widerstand mehr und lässt sich mehr oder weniger kampflos übers Schwert ins Boot ziehen. Der Jubel ist groß! Mein erster allein gefangener Blue Marlin liegt im Boot!
Rangiroa – ein Anglerparadies? Das traumhafte Atoll bekommt von mir noch eine weitere Chance, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Unser Skipper Roger sagt, das Angeln auf Marlin sei von November bis Januar am besten. Ob sich die Riffe zum Jiggen eignen, ist allerdings schwer zu sagen. Unseren Mitreisenden zufolge wurden zahlreiche gute Fische von Haien abgefressen. Für Taucher sind Lagune und Außenriff aber mit Sicherheit ein Paradies: Andreas zählte beim schnorcheln 50 verscheiden Fischarten. Meeräschen, Rochen, Haie und eine Vielzahl von bunten Riffbewohnern waren sogar vom Ufer aus zu sehen.