Kanada: Supersize it!

Die Eigenschaft, durchschnittliche Dinge des alltäglichen Lebens überzudimensionieren wird ja oft den Amerikanern zugesprochen. In diesem Sommer konnten wir erleben, dass auch deren nördliche Nachbarn, die Kanadier, zumindest beim Angeln zu diesem Trend neigen.
Mein Angellkumpel Guy Bouffard lud Klaus Bars mit seiner Frau Beate, sowie meine Frau Sabine und mich ein, drei Wochen bei ihm zuhause in Kanada zu verbringen, um dort den Fischen nachzustellen.

Während der Nächte auf unseren früheren Angelreisen erzählte mir Guy oft von seinem Heimrevier, dem French River in Ontario, wo er auf Musky angelt. Mir war dieser Fisch bis dahin unbekannt und ich konnte mir kein richtiges Bild davon machen.
Guy beschrieb mir einen Fisch in der Bauart eines Hechtes, welcher aber ausschließlich in den Gebieten der Great Lakes im nordamerikanischen Raum vorkommt. Er gehöre der Familie der Esoxiden an, sei dem Hecht zwar auf den ersten Blick ähnlich, ist aber eigentlich keiner.

Für den IGFA- Captain und Musky-Guide gehört dieser Fisch zu den härtesten Fischen im Süßwasser: Er sei nicht einfach zu fangen und es gebe schon viele Angler, die von diesem Fisch gebrochen wurden. Der Indianerstamm der Ojibwa gab ihm den Namen Maskinonge, was einfach großer Fisch heißt.

Der bisher größte registrierte Vertreter des Esox masquinongy, oder Muskellunge brachte es 1949 immerhin mit 30,61 kg ins große IGFA-Buch der Rekordfische.
Die erste Woche unseres Aufenthaltes verbrachten wir in Guys Cottage, ein kleines urgemütliches Häuschen mit Ausblick auf den Fluss. Während unsere Frauen den Urlaub mit ausgedehnten Wanderungen und der Erkundung der umliegenden Wälder verbringen wollten, konnten Klaus und ich mit Guy auf der Apex Predator dem Musky auf den Leib rücken. Wir begannen mit dem Trolling. Doch als ich Guy den ersten Köder an das Vorfach hängen sah, dachte ich mir nur: „Junge, das ist ja wohl kein Wunder, dass ihr hier kaum einen Musky an den Haken bekommt“.

Im Geiste stellte ich mir vor, wie ich im Tackelshop stehe und dort, nachdem ich meine Bestellung nach einem Muskywobbler aufgegeben habe gefragt werde: „Regular, medium, large or supersized?“
Guy und ich fischten schon mit großen Poppern in Panama und in Nicaragua mit großen Rapalas auf Tarpon, doch Köder in dem Format, das ich hier sah, würde ich eher über den Stammtisch eines Angelclubs hängen, sofern dort die Balken noch über eine ausreichende Tragkraft verfügen.

Doch Guy meinte, dass gerade diese Köder den Muskyfischer vom Hechtangler trennt. Selbst große handelsübliche Hecht-Köder seien für den Musky nicht von Bedeutung. Wer mit einem kleinen Köder angelt, hat gute Chancen einen Hecht zu fangen, dem Musky hingegen ist der Kraftaufwand mit Aussicht auf einen kleinen Snack aber nicht wert.
Seine Kraft zu bändigen heißt auch, die Bremskraft der Rolle auf 12 lbs einzustellen und mit einer Geschwindigkeit von 4,5-6,5 mph zu trollen. Also das Doppelte, was wir auf Hecht fahren würden.
Dass Guy mit seiner Methode Erfolg hat, sahen wir an den Trophäen in seinem Haus: ein Musky mit 35 lbs bei einer Länge von 130 cm und ein 44 lbs Musky mit einer Länge von 1,6 m!
Einer seiner Fänge ziert auch die Wand hinter dem Tresen der örtlichen Tankstelle, welche auch als Verkaufsstelle für Angel und Jagdbedarf, sowie den Einwohner des kleinen Örtchens Noeville als Treffpunkt dient.

A propos: Kanadas Städtchen möchten am Ortseingang gerne auf ihre Einzigartigkeit verweisen, indem sie ihre Seelengemeinde als Hauptstadt einer Besonderheit benennen. So gibt es neben der Heimat des Silberfuchses und der Wiege der größten Axt auch die Stätte des wltgrößten Nickels auch zu bestaunen.

Noeville ist noch auf der Suche, aber in der engeren Auswahl steht schon: “The Home of The next Musky world record“.
Der erste Tag auf dem Wasser verlief ohne eine nennenswerte Aktion, doch an Land sorgte die Sichtung von frischen Bärenspuren auf dem Wanderweg für Aufregung und Gesprächsstoff. Nur noch angetrieben vom Selbsterhaltungstrieb konnte diese Spuren leider nicht mehr bildlich dokumentiert werden, so entschloss sich Klaus, die Angelei auf den Musky einzustellen und für den Schutz und die Berichterstattung für die kommenden Tagestouren zu sorgen.
Während ich meine Zeit mit Guy beim Angeln verbrachte, konnten unsere beiden begeisterten Kanuwanderer ihr Englischvokabular erweitern, nachdem es sich bei der geplanten Kanutour herausstellte, dass das erwünschte „pedalboat“ hier mit Füssen getreten wird und nicht gepaddelt wird.

Die Abendstunden des zweiten Angeltages verbrachten wir auf dem Frech River mit Casting, dabei entschied ich mich für meinen Lieblingstopwaterköder, einen Stickbait, welcher ein Eichhörnchen bei der Flussüberquerung simulieren soll.Nach 20 Würfen war der erste Musky gereizt und schoss in seiner ganzen Kraft durch die Wasseroberfläche um den Stickbait aus seinem Revier zu hauen.
Leider war es kein Biss sondern nur eine Demonstration von Stärke. Dies zu sehen war einfach einzigartig.Es wurde dunkel, wir trollten in Richtung Steg und kurz vorm Anlegen wurden wir doch noch mit einem Biss belohnt.

Trotz der Geschwindigkeit und der Bremskraft zeigte der Musky, was in ihm steckte. Wir landete ihn im grossmaschigen Netz, wo er sich bei seinen kraftvollenVersuchen, sich zu befreien, selbst enthakte und wir ihn releasten.

Die bereits zum Cottage zurückgekehrte Expeditionstruppe konnte von der Veranda aus dem Blitzlichtgewitter folgern, dass wir erfolgreich waren und bereitete den triumphalen Empfang vor. – Kanada hat nichts verkehrt gemacht.
Neben dem Musky gingen uns noch Walleyes, Smallmouthbass, Rockbass und Sunfish an die Leine und eine wunderschöne Woche am Frenchriver neigte sich dem Ende zu.
Auf dem Programm stand nun ein 1850 km längerer Ritt durch Ontario und Quebec auf die Prince Edward Island, kurz PEI.
Dort beginnt der zweite Abschnitt unserer Reise, auf der Jagd nach den Blufin-Tunas-Supersized, darüber wird aber Klaus im zweiten Teil unseres Berichtes erzählen. So viel vorab: Wir fingen zwei Bluefins mit 500 und 550 lb an 130er Gerät. Hier ist der Trailer dazu:

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