GEOMAR: Dorsch und Hering in Ostsee droht völliger Zusammenbruch

EU-Erhöht gleichwohl Dorschfangquote

Mehr Dorsch, weniger Hering: Auf neue Höchstfangmengen in der westlichen Ostsee haben sich die EU-Agrarminister für 2021 geeinigt. Für Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und den WWF ist dies ein positives Ergebnis, für die Wissenschaft nicht.

Dass die Fangquote für Hering nur halbiert und die für den ebenfalls bedrohten Dorsch gar um 5% angehoben wurde, ist für den immer industriefreundlicheren WWF ein gelunger Kompromiss. Dagegen warnte das renommierte GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel vor einem völligen Zusammenbruch der Bestände. Der Grund: Überfischung, Klimaerwärmung und Rippenquallen setzen den Fischen extrem zu. Gehört wurde ihr eindringlicher Appell von den Politikern nicht.

Den Forschern zufolge sind die Bestände von Dorsch und Hering nach Jahrzehnten der Überfischung so klein, „dass sie während der Laichzeit nicht mehr ihr ganzes Laichgebiet mit Eiern versorgen können“. Beim Hering liegt der Nachwuchs seit 2005 weit unter dem Mittel der vorherigen Jahre und nimmt kontinuierlich weiter ab. Seit 2018 empfiehlt deshalb der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) eine komplette Einstellung der Heringsfischerei, dieser Rat wurde aber auch diesmal von den Politikern nicht befolgt.

Dorschlarve. Foto: T. Reusch, GEOMAR

Beim Dorsch sei in vier der letzten fünf Jahre der Nachwuchs ganz oder fast ganz ausgeblieben. Der Bestand besteht daher fast nur noch aus jetzt vierjährigen Dorschen, die sich noch nicht erfolgreich fortgepflanzt haben und die Hauptlast der Dorschfischerei tragen, heißt es. Rainer Froese, Meeresökologe am GEOMAR, warnte deshalb eindringlich: „Wenn wir diesen Jahrgang ohne Ersatz verlieren, dann haben wir den Bestand verloren“.

Überdies seien die zu kleinen Dorsch-Bestände extrem schlecht auf den Klimawandel vorbereitet. Das zeigte sich in diesem Frühjahr, wo der ungewöhnlich warme Winter die meisten Fische dazu veranlasst hat, zu früh abzulaichen, bevor genügend Nahrung für die Larven vorhanden war. Wegen der zu kleinen Bestandsgrößen haben nur sehr wenige Fische zur richtigen Zeit am richtigen Ort abgelaicht. Die Larven dieser Fische hatten mit dem zusätzlichen Problem zu kämpfen, dass sich eingeschleppte Rippenquallen im warmen Wasser massiv vermehrt haben und mit den Fischlarven um das Plankton als Futter konkurrieren. „Wir hatten noch in keinem Jahr so viele Rippenquallen in unseren Proben wie jetzt“ sagt Meeresbiologin und Expertin für Heringslarven, Dr. Catriona Clemmesen vom GEOMAR. „Alle Anzeichen deuten daher darauf hin, dass es in diesem Jahr bei Dorsch und Hering keinen Nachwuchs geben wird.“

Aus Sicht der Fischer und der GEOMAR Wissenschaftler muss dringend gehandelt werden, um eine Katastrophe abzuwenden. Sie schlagen eine völlige Einstellung jeglicher Fischerei auf Dorsch und Hering vor, bis mehrfache erfolgreiche Fortpflanzung die Bestände dauerhaft abgesichert hat. „Es kann nicht angehen, dass wir jetzt die letzten Dorsche und Heringe wegfangen,“ sagt Thorsten Reusch, Professor am GEOMAR und Experte für evolutionäre Genetik. „Die wenigen Jungfische, die trotz der widrigen Bedingungen überlebt haben, besitzen offenbar solche Erbanlagen, die wir für die Zukunft der Bestände brauchen. Sie stammen von Eltern, die erst bei höheren Temperaturen zum Laichen kommen und deren Gene müssen unbedingt an die nächsten Generationen weitergegeben werden“, fügt er hinzu.

Diese Rippenqualle (Mnemiopsis leidyi) ist nur 1,5 Zentimeter groß und wurde in der Kieler Förde fotografiert. Foto: Javidpour Jamileh, GEOMAR.

Aus Sicht der GEOMAR-Wissenschaftler ist er unbedingt erforderlich, die Auswirkungen der aus den USA eingeschleppten Rippenquallen auf das natürliche Nahrungsnetz der Ostsee eingehend zu untersuchen. Vielleicht gibt es ja Möglichkeiten, einheimische Räuber oder Nahrungskonkurrenten der ungebetenen Gäste so zu fördern, dass die Ausbreitung der Rippenquallen eingedämmt werden kann.

Wir Angler dürfen damit weiterhin fünf Dorsche am Tag entnehmen, in der Laichzeit von Mitte Mai bis Mitte August sind es nur zwei.

Quelle: GEOMAR

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