Leuchtende Augen als Lohn: Ein alter Grieche mit Liebe zum Fisch(en)

Von Jürgen Oeder

Was machen ältere wohlhabende Männer mit Zeit, Liebe zum Fisch und einem prächtigen Wohnsitz am Mittelmeer? –  Sie kaufen sich eine strahlend weiße Yacht und gehen angeln. Der 74-jährige Grieche Fotis entspricht diesem Bild – fast: Als Gastarbeiter zog es ihn in den 1960er Jahren nach Augsburg, wo er neben der Arbeit gebrauchte Autos und alte Motorräder in die Heimat schickte. Dann wanderte er weiter, nach Kanada, und wurde in Toronto Wirt erst eines kleinen und dann eines größeren Restaurants. Zeit zum Angeln als  Ausgleich an den nahegelegenen Seen blieb selten. Bis zu 20 Stunden Arbeit am Tag brachten dem Selfmademan aber das Startkapital für die Rückkehr im Jahr 1972 nach Athen, wo er als großer Autohändler und Bauunternehmer erfolgreich war. „Ich habe dann jedem meiner vier Kinder ein Haus gebaut und mich dann entschieden, dem stressigen Leben in Athen den Rücken zu kehren. Wäre ich dort geblieben, wäre ich schon tot“, sagt der quecksilbrige Mann.

Nun lebt Fotis in dem kleinen Örtchen Korfos im Osten des Peleponnes, keine 200 m vom Strand entfernt und mit Blick auf sein aus der Ferne strahlend weißes Boot. Eine Big Bame Yacht ist es aber nicht: Fotis hat sich 2002 ein 7,5 m langes Arbeitsboot für Berufsfischer zugelegt. Mit spezieller Winsch für Grundstellnetze, Gerät zum Legen von Langleinen und allen nötigen Lizenzen. „Mit einer Angel zu fischen  ist mir hier zu langweilig“, sagt er – und in der überfischten Meerenge unweit von Piräus auch ein aussichtsloses Unterfangen, wie ich selbst trotz Fishfinder, Kartenplotter und besten Ködern leidvoll feststellen musste.

Fotis hat also ein Boot für Berufsfischer, ist aber kein Berufsfischer. Drei bis vier Mal im Monat fährt er hinaus, angeführt von seiner patenten Frau Chara, die seine Liebe zu Fisch und Meer teilt. Sie steht als Kapitänin am Steuerstand der „Lady Skipper“ und sie steht auch ihren Mann beim Einholen der Netze oder Langleinen.

Fotos von erfolgreichen früheren Fischzügen mit guten Schwert- und Thunfischen sowie wie Netze, prallvoll mit verschiedenen Brassenarten weckten bei mir den Wunsch, einmal mit dabei zu sein.

„No Problem, you are welcome“, meinte Fotis. Nun, Ende September, sei zwar keine Zeit für Langleinen, aber ein Grundstellnetz könnten wir über Nacht durchaus legen. Das war dann verblüffend einfach: Im Fanggebiet, eine halbe Bootsstunde vom Ort entfernt, gingen zwei alte Plastikkanister mit einer langen Leine über Bord, an deren Ende dann das etwa 2,5 m hohe und 1300 m lange Netz befestigt wurde.

Eine Bleischnur an der unteren Kante des Netzes mit einer Maschenweite von 24 mm brachte es auf den 100 bis 150 m tiefen Grund, kleine Schwimmer an der oberen Netzkante hielten es locker aufrecht. Am anderen Ende dann wieder ein kaum faustgroßer Stein als zusätzliche Beschwerung, dann wieder eine Leine und Kanister über Bord, und das war es auch schon.

Am nächsten Morgen beim Heben wurde mir dann klar, wie solch ein Netz fängt: Die Fische schwimmen hinein, bleiben mit Zähnchen und Flossenstrahlen an den feinen Maschen hängen und drehen sich bei ihren Befreiungsversuchen immer mehr in das feine und lockere Garn ein.

Der Fang an jenem Tag war aber weit entfernt von dem, was ich auf Fotis Bildern zuvor gesehen hatte. In der Mehrzahl Seehechte (Merluccius), die eigentlich bis zu 1,4 m lang und 15 kg schwer werden können, wenn man sie lässt.

Die im Griechischen „Bacalario“ genannten Seehechte waren bis auf einen 50-cm-Fisch zumeist aber nur etwa 30 cm lang, dann hatten wir noch ähnlich große Brassenarten, einige Mittelmeer-Makrelen, Fischköpfe, Steine und immer wieder metergroße Löcher im Netz.

„Fuckin‘ dolphins must have had a party down there“, fluchte Fotis und erklärte mir auf meine hochgezogenen Augenbrauen hin, den Schaden. Delfine hatten sich „ihren“ Anteil der Beute aus dem Netz geholt und beim Hin- und Herzerren das Netz zerrissen oder es mit Steinen befüllt. Den Schaden am Netz bezifferte Fotis dann mit 250-300 Euro.

Den Fang von insgesamt etwa 20 kg Fisch, oder umgelegt 1500 Gramm auf 100 m Netz, bezeichnete Fotis als „gut“, während Chara hinter ihm milde lächelnd den Kopf schüttelt und mit dem Daumen nach unten zeigt. An schlechten Tagen seien manchmal sogar nur 3 oder 4 kg Fisch im Netz, begründet Fotis sein Urteil.
Wären der agile Rentner und seine (ihn subtil behütende) Chara Berufsfischer, hätten sie für den Fang etwa 300 Euro bekommen – aber wegen des Schadens am Netz sowie der Sprit- und sonstigen Kosten ein dickes Minus gemacht.
Doch auf schnöden Mammon ist Fotis nicht aus:  Er verschenkt (bis auf wenige Fische für den Eigenbedarf) immer den gesamten Fang: an seine Kinder und Enkel, an Nichten und Neffen, an Freunde und an Bekannte im Dorf. Deren leuchtende Augen sind dann die Währung, die für Fotis zählt. Und deswegen nimmt er offenbar auch hin, dass Raubfischer der gemeineren Art ihm (und anderen rund um Korfos) schon mehrmals die Netze komplett gestohlen haben. Jedes Mal entsteht ihm dabei ein Schaden von über 2000 Euro; trotzdem hat Fotis sich jedes Mal ein neues Netz gekauft.

Wer aber sieht, mit welcher Freude sich der drahtige Mann auf dem Boot bewegt und mit welchem Enthusiasmus er seine selbstgebauten Köder zum Fang von Oktopus an Handleinen erklärt, oder über die Qualität von Nylonschnüren aus Japan für Langleinen fachsimpelt, oder über Montagen für den Kalmar-Fang, der versteht, dass ihm für seine Liebe kein Preis zu hoch ist.  – Wir müssen uns Fotis als ziemlich glücklichen Menschen vorstellen.

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