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Kenia – 621 lb. of joy!

erstellt am: 21.02.2014 | von: Jürgen Oeder | Kategorie(n): Kenia, Reiseziele

Wir, meine Frau und ich, hatten uns kurzfristig losgerissen und kamen am 30. Dezember in Watamu an. Der erste Urlaub ohne Kinder seit der der Geburt unseres Ältesten vor sieben Jahren! Zeit zum Chillen und nichts tun. Naja, fast nichts: Ich hoffte natürlich, ein paar Tage zum Fischen rausfahren zu können. Wir, meine Frau und ich, hatten uns kurzfristig losgerissen und kamen am 30. Dezember in Watamu an. Der erste Urlaub ohne Kinder seit der der Geburt unseres Ältesten vor sieben Jahren! Zeit zum Chillen und nichts tun. Naja, fast nichts: Ich hoffte natürlich, ein paar Tage zum Fischen rausfahren zu können.

Neujahr feierten wir am Strand mit anderen Gästen und den Mitgliedern des A Rocha Kenya, Mwamba Field Study Center (https://www.arocha.org/ke-en). Die Organisation betreibt unter anderem Umwelschutz-Bildung und beobachtet die Entwicklung des größten Trockenwaldes an der Ostafrikaischen Küste, dem Arabuko-Sokoke Wald, sowie die Mangrovenwälder des Mida Creek, einem der produktivsten Mangroven-Ökosysteme weltweit. Und positiv ist das Motto der Organisation: „Conservation and Hope“:

Der Neujahrstag ist ein wichtiger Feiertag hier (Für Muslime) und die Strände waren deshalb voll von Einheimischen: Vibrierende Farben (ein bisschen wie TV schauen im ersten Moment), verglichen mit der eher finster-grauen Welt, die wie hinter und gelassen hatten.

Am 2. Januar begann es dann bei mir zu jucken. Ich musste unbedingt Peter Darnborough kontaktieren und Fischen gehen!

Es gab nur ein Problem, kein Strom: Der Transport-Manager der „Turtle Beach Resort“ hatte einen Strommasten gerammt und damit die Stromversorgung der gesamten Region südlich des Resorts gekappt. Ich musste deshalb den Strand runter laufen bis zum „Ocean Sports“, wo ich Peter traf. Trotz heftiger Winde und kabbeliger See sowie einer nicht eben optimistischen Wettervorhersage beschlossen wir, am nächsten Morgen rauszufahren: Petes ALLEYCAT, eine 36-Fuß Hatteras, ist sicher genug, um bei nahezu allen Wetterbedingungen in See zu stechen.

Nach einer eher schlaflosen Nacht voller Vorfreude und Erwartungen holte mich Peter ab und wir fuhren zum „Hemingways Hotel“. Dort tranken wir erst eine Tasse Kaffee und unterhielten uns mit den anderen Jungs, bevor es an Bord der ALLEYCAT ging. Sie ist ausgerüstet mit Tiagra-Rollen, Penn-Ruten und einer großen Kollektion an Lures, obwohl Petes Spezialität das Live-Bait-Fischen auf Marlin ist und er darin vermutlich der beste Skipper an der gesamten Küste.

Diesen Tag fischten wir mit 80-er und 130-er Gerät. Die volle Auslage: Acht Ruten mit größeren, bis zu 40 cm langen Lures. Unser Ziel waren die gewichtigen Marline, draußen an den Unterwasserbergen. Wir wollten Qualität, nicht Quantität. Sechs Schnüre liefen über die Outrigger und zwei über den Centerrigger weiter hinten, weil in der Wake, den Wellen unmittelbar hinter dem Boot, in den vergangenen Tagen keine Fische geraist werden konnten. Und dann hatten wir natürlich noch ein Skipbait geriggt als „stand by“, falls da was hochkommen sollte, das kein Freund von Plastik war.

Auf dem Weg durchs „razorgang country“ legten wir dann die billigeren Köder aus, für den Fall, dass einer der Fische mit den Rasierklingen im Maul sich über die Lures hermachen würde, um sie zu zerhacken. Und so kam es dann auch: Ein 24 lb schwerer Wahoo kam an Bord und ließ mich gleich ans Mittagessen denken.

Übrigens: Ich mag auch Peters Crew dafür, dass nicht rumhängen und nur auf Anordnung in die Gänge kommen. Peters First Mate bemerkte etwa, dass an einer der Tiagras was nicht in Ordnung war, nahm sie auseinander und reparierte sie in kürzester Zeit.

„Sie hatten die letzten Tage eien schlechten Lauf, erst ein 800-Pfünder Marlin verloren, weil der Wirbel brach und einen 600-er wegen Schnurbruchs“, das ging mir durch den Kopf, ohne zu ahnen, dass ich es sein sollte, der das Lächlen in Petes Gesicht wieder anknipsen würde.

Wham! Strike! Großer Marlin! Ecke, kurz!

Die Schnur löste sich von der Spule mit einer bemerkenswerten Geschwindigkeit. Wie hingen an ihr! Das große Mädchen sprang wie wild durch die Gegend und es war ein Wunder, dass es zu keinem Schnursalat mit den anderen Leinen kam. Das sagte mir Peter aber erst hinterher. In der Situation war ich nicht in der Lage, die Aufführung zu genießen, die die Prima Ballerina für uns gab. Ich war vielmehr damit beschäftigt, die Rute zum Kampfstuhl zu bringen, blöde rumzumachen mit dem sch… Gimbal, um endlich das zu tun, wozu ich hier war – Drillen!

Sobald dann die anderen Leinen aus dem Wasser waren, legte Pete die Hebel im Rückwärtsgang auf den Tisch und machte uns alle erst einmal nass. Unser Mädchen hatte derweil genug von seinem Ballett und entschloss sich zu tauchen – gegen einen Bremsdruck von mittlerweile 45 lb.

Tiefer, tiefer, immer tiefer zog sie, mit ununterbrochen ablaufender Spule, trotz einer Bremseinstellung im Grenzbereich. Dann endlich stoppte sie. – Ich konnte sie mir genau vorstellen da unten im Dunkel, die Brustflossen angestellt auf Tauchmodus, wie das Leitwerk eines U-Bootes: Die Stellung, die dem Angler schier das Kreuz bricht, beim Hochpumpen des Fisches.

Schon einige Marline sind in solchen Tiefen gestorben, aber weil ich eine 130-er Schnur zwischen mir und dem Fisch hatte, war ich zuversichtlich, dass er das Tageslicht nochmals sehen würde.

Ich begann also in langsamen Takt zu Pumpen. Immer rein in den kleinen Gang und raus aus ihm, mit beständigem Druck, und ohne ihr Zeit für eine kleine Pause zu geben. Für jeden Zentimeter, den sie mir nahm, wollte ich zwei zurückgewinnen. Und ich nutzte das Auf und ab der Wellen, um sie nach oben zu zwingen. Und schließlich spürten wir, dass die Schlacht sich zu unseren Gunsten wendete: Der Fisch kam ein paar Meter nach oben und schüttelte den Kopf. Das Einholen der Schnur wurde einfacher. Pete ging in langsame Fahrt voraus, der Schnurwinkel wurde rapide flacher. Sie kam hoch! Ich kurbelte derweil immer schneller und schneller und wollte unbedingt einen „Slack“, eine durchhängende Schnur ohne Kontakt zum Fisch, vermeiden.

Dann durchbrach sie die Wasseroberfläche in einem halbherzigen Versuch zu Springen, kam aber nicht mehr mit dem ganzen Körper heraus. Bald war das Vorfach in Reichweite und: Ja! Mit dem Griff danach war es ein offizieller Fang – nach etwa 40-minütigem Drill.

Ich denke: „Wie schwer sie wohl sein mag? Es ist eine sie. Klar, Männchen werden nicht so groß. Ich sehe überhaupt nichts. Die Crew steht mir im Weg!“

Ich nehme die Bremse etwas zurück. „Falls sie zu einer erneuten Flucht ansetzt, und damit der Mate am Vorfach nicht in Gefahr kommt“, denke ich noch. Und als ob sie meine Gedanken lesen konnte, zieht sie nochmals mit pfeifender Schnur ab.

Also wieder etwas rauf mit dem Bremshebel. Zusätzlicher Druck mit dem linken Daumen auf dem Spulenrand stoppt sie. Einige Momente später ist sie wieder da, erneut auf der Steuerbordseite. Der Tag-Stick hebt sich – doch sie verschwindet unter dem Boot. Pete legt den Vorwärtsgang ein und sie taucht auf der Backbordseite auf, um erneut nach Steuerbord zu verschwinden, den Mate am Vorfach im „Schlepptau“, bis er gezwungen ist erneut loszulassen.

Pete entschließt sich, runter zu kommen und dem Spiel selbst ein Ende zu machen. Das Vorfach kommt erneut in Reichweite und Pete schreit seinen Deckhand an: „Tag her, that f..er, you mother f…ing sob!“…….

Ich kann zwar kein Suaheli, aber unterstelle mal, dass ich in Petes Situation dieselben Kraftausdrücke gebraucht hätte. Die Worte zeigten jedenfalls Wirkung: Das Tag saß in der Schulter und die Lady setzte zu einer letzten Flucht an.

Nach einem einstündigen Kampf hing sie dann schließlich am „billrope”, einem Seil um das Schwert, an dem ausgedrillte Marline geführt werden, um wieder Sauerstoff ins Blut zu bekommen. – Nun konnte ich die Rute beiseite stellen und mir meinen Fang genauer anschauen. Welch eine Schönheit! Der Haken saß im Maulwinkel und sie blutete nicht!

Großartig, mein erster Blauer Marlin, etwa 500 lb schwer, schön und fett. Pete bekommt das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. – Doch es war noch nicht alles vorbei: Entgegen unseren Absichten, sie zu ein wenig fit zu machen vor dem Releasen, drehte sie kieloben, zeigte ihren Bauch – und starb. Pete fragte, ob es für mich ok sei, wenn wir sie mitnehmen. Ich nickte stumm ein Einverständnis.

Als wir den Fisch beim „Ocean Sports“ anlandeten, wartete schon eine größere Menschenmenge und ich ging den Strand hinauf in einem Wechselbad von Gefühlen: Traurig, solch ein wunderschönes Tier getötet zu haben und stolz zugleich, dass ich dieses großes Raubtier bezwingen konnte.

Schließlich gewann der Höhlenbewohner in mir und ich genoss die Situation in vollen Zügen.
Dann der Moment der Wahrheit!
Zeit, sie zu wiegen.
621 lb!!
Der Manager brachte Bier.
Tusker time.

Ein paar Tage später war er wieder da, der Drang hinauszufahren. Ich rief Peter deshalb spät am Abend an: „Hast Du Lust? Morgen?”

“Sicher, immer. Ich muss nur der Crew Bescheid geben und hole Dich morgen ab”, war seine Antwort.

Es war ein eher langweiliger Tag. Die Suche nach Marlin war fruchtlos, sieben Stunden lang: nichts. Ich machte eben ein paar Fotos von vorbeifahrenden Booten als…

Aber erst muss ich Pat Hemphill zitieren, die lebende Legende aus Shiomoni: Er sagt, „Big Game Angeln ist stundelange unbarmherzige Langeweile, die gelegentlich unterbrochen werde von unvergesslichen Momenten reiner Panik!“

…ein Schrei die Langeweile durchbrach: „Marlin! Short corner!“.
Die Rolle schrillt in höchsten Tönen, der Marlin springt.
„Clear the lines!“, tönte Pete.

Ich nahm die Rute aus der Bordwand und war auf dem Weg zum Stuhl, als der Marlin kehrt machte und in unsere Richtung sprang. Pete gab Vollgas und das Heck verschwand in einer Wolke von schwarzem Dieselruß.

Der Marlin holte auf und machte einen Salto direkt an der Backbordseite. Der Haken flog in hohem Bogen und der Fisch verschwand. –„Sayonara, mein Freund“.
Ok. Das ist Big Game Angeln.

♬We´ll meet again
Don´t know where
Don´t know when
But I know we´ll meet again some sunny day….

Am Tag vor unserer Rückkehr ins farblose Deutschland fuhr ich nochmals mit Peters Bruder David raus: Ich hatte es dem Manager von A Rocha versprochen und mit David kam ein Meeresbiologe an Bord.

Kein Billfish-Biss-Glück, aber wie fingen einige Goldmakrelen, genug, um die Leute von A Rochas für einige Tage satt zu bekommen.

Trotz unserer abwesenden Freunde (die mit dem Schwert) hatten wir einigen Spaß. Und der sehr schöne Tag auf See fand dann einen perfekten Ausklang im „Hemingways“ mit einigen Dawa-Cocktails. – Dawa ist Suaheli und heißt „Medizin“ oder „magische Portion“:
Zitronenschnitze in ein Becherglas geben
Zitrone zerdrücken, (Wald-)Honig hinzu
sowie zerstoßenes Eis und 4-6 cl Vodka und dann
Genießen!

Tight lines
Pontus Smith