„Blue Screen!“

Diese Geschichte hat kein Happy End. Zumindest nicht für Angler der kroatischen Adria vor Vodice und Jezera: Dort konnte im Winter auf Amberjack gejiggt werden, wenn das Wetter passte. In vergangen Jahren waren an manchen Tagen über 100 Angler unterwegs und fingen etliche gute Fische. Auch in diesem Januar entdeckten sie an einem Unterwasserberg wieder hunderte Amberjacks, die am Grund vor der Insel Zirje gemeinsam überwintern wollten.

Die Monitore der Fishfinder zeigten erneut rote Wolken auf blauem Grund, sobald der Schwarm geortet war. Die Angler hatten wieder ihren Spaß und fingen Amberjacks mit einem Durchschnittsgewicht von etwa 20 kg, der schwerste wog stattliche 43 kg.  Die Vorfreude und Erwartung auf harte Drills  mit kampfstarken Boliden wurde dann aber am 21. Januar mit einem Schlag für vermutlich lange Zeit zunichte gemacht: Netzfischer hatten den Braten gerochen und holten mit einem großen Ringwadennetz 7,2 Tonnen Amberjack mit einem Zug an Bord. Der übrigens legale Fischzug brache ihnen – zum üblichen Kurs von 8 Euro (60 Kuna) verkauft – vermutlich einen Umsatz von über 57.000 Euro.
In den Tagen danach hieß es dann unter den Anglern, die nach den Amberjacks suchten, zumeist nur noch „Blue Screen“. Damit war alles gesagt: Auf den blauen Bildschirmen ihrer Fischfinder zeigten sich keine roten Wolken mehr, sondern alle paar Stunden schwächliche Signale für 3-4 Überlebende, die in 80-90 m Tiefe gezielt anzujiggen sinnlos war.

Nun könnte man die Fischerpolitik Kroatiens als unveränderlich hinnehmen, wäre da nicht das „Blue Growth“-Programm der EU für ihre Mittelmeeranrainer. Allein nach Kroatien fließen 257 Millionen Euro, um das Wirtschaftswachstum und den Tourismus an der Küste zu fördern. Davon sollen mit rund 87 Millionen Euro die nachhaltige Fischerei gefördert und Kutter der insgesamt viel zu großen Fangflotte abgewrackt werden.
Mit den Geldern könnten aber auch die Lizenzen zum Töten ganzer Habitate mit Ringwadennetzen aufgekauft werden. Das Argument dafür ist ein kapitalistisches: Sportangler bringen auf Dauer der küstennahen Volkswirtschaft mehr Umsatz: Angellizenzen für Amberjack könnten für 20 Euro (anstatt für 8 Euro wie derzeit) pro Tag verkauft werden und Charterbootkapitäne zusätzlich 500-700 Euro pro Tag verdienen, Restaurants wären voll und Apartments auch im Winter gebucht.  Die durchaus wirtschaftlich denkende US-Regierung macht diese Rechnungen zugunsten der Angler seit Jahren vor. Dies gilt für die Winterfischerei auf Blauflossenthun vor Cape Hatteras ebenso, wie für das tausende Quadratmeilen große Gebiet vor Florida, wo nur wir auf Schwertfisch angeln dürfen und Longliner außen vor bleiben müssen. Die Bestände haben sich dort so gut erholt, dass nun selbst Schwertfisch mit 500 lb gefangen werden können und deshalb Angler aus aller Welt anreisen.
Auch die EU hat inzwischen kapiert, dass wir für unser Hobby pro Kilogramm gefangenem Fisch weit mehr Geld ausgeben als etwa die industrielle Fischerei auf Wolfsbarsch dem Staat einbringt. Dieser Fischerei wurde im vergangen Jahr die Quote gekappt und zeitlich begrenzte Fangverbote erlassen, damit wir mehr fangen und dazu an die Küsten der Nordsee reisen.
Die kroatische Regierung könnte im Fall Amberjack aber auch Gutes tun, ohne wertvolle Fördergelder ausgeben zu müssen und dazu etwa die Netzfischerei auf Amberjacks von Ende Dezember bis Mitte März vor der Insel Zirje verbieten. Dass solche Einschränkungen machbar sind, zeigt das Beispiel der chronisch überfischten Sardinen-Bestände vor Kroatien. Um sie nachhaltiger zu bewirtschaften, wurden die Küstengewässer  in Planquadrate eingeteilt, die dann je nach Befischungsdruck für mehrere Monate gesperrt werden.

Amberjacks werden erst mit 5-6 Jahren geschlechtsreif und können bis zu 80 kg schwer und 17 Jahre alt werden – wenn man sie lässt. Die Fische vor Zirje sind also im besten Laichalter, und würden mehr von ihnen überleben, hätten am Ende alle mehr davon: Die Angler, der Tourismus und auch die vielen kleinen Subsistenzfischer, die den Fischen nachstellen.
Die Fischereibehörden sehen aber bislang keinen Anlass, bestehenden Regelungen zu ändern. Aus nachvollziehbaren Gründen: Fischzüge wie der beschriebene, oder jener von Anfang 2015, wo Netzfischer 4,2 Tonnen Amberjack aus dem Kanal zwischen Išt und Škarda holten (danach und auch in diesem Jahr war dort kein Jack zu finden), bringen den Behörden Steuereinnahmen von 25% des Umsatzes. – Auf einen Schlag.
Ein Umsteuern zugunsten der Hobbyangler brächte dem Ministerium dagegen zunächst Minderinnahmen und jede Menge zusätzliche Arbeit, um die schwarzen Schafe unter uns im Zaum zu halten: Die Gier bei möglichen Massenfängen und der hohe Preis von 13 Euro je Kilogramm  beim Schwarzverkauf an Restaurants, verleitet so manchen, die Quote von einem Fisch pro Angeltag zu ignorieren und das Boot zu füllen, wann immer es geht: Zum Auftakt der kurzen Bonanza hatten im Januar etwa 12-15 Boote rund 50 Amberjacks gefangen und weil die meisten der Boote nur mit einem oder zwei (einheimischen) Anglern besetzt waren, wird klar, dass es ums Geld geht: Bei durchschnittlich 3-4 Fische macht jedes Boot einen Reibach von über 700 Euro. Allerdings sind solche Fänge eher die Ausnahme. Die Amberjacks lernen zum Glück schnell dazu. Am Tag nach den guten Fängen waren schon 30 Boote auf dem Wasser und machten mit ihrem Motorenlärm und dem Dauerfeuer der Echosounder aber so viel Krach, dass nur noch 3 Fische gefangen wurden.

2013, im bislang „besten“ Amberjack-Jahr, tummelten sich nach 14 erfolgreichen Angeltagen dann an einem Samstag 54 Boote einschließlich eines Ausflugdampfers, auf dem sich Dorschkutter-gleich etwa 30 Jigger Schulter an Schulter in zwei Etagen drängten. Dazwischen war dann allerdings auch endlich einmal ein Polizeiboot, das die Fänger kontrollierte und so das Einhalten der  Regeln durchsetzte.

Dass die Polizei zu Kontrollen in der Lage ist, zeigte sich auch in diesem Januar: Am nördlichen Ende der Insel Išt tauchte eine große Schule von bis zu 80 kg schweren Blauflossenthunen auf, die dort in dem ungewöhnlich warmen Wasser von 16 Grad Nahrung fanden und eine Woche lang beim Rauben an der Oberfläche ein beeindruckendes Schauspiel lieferten. Klar, dass einheimische Schwarzfischer schnell vor Ort waren. Aber auch die Polizei reagierte schon nach drei Tagen. Sie setzte sich von morgens bis abends mit einem großen Boot in die Mitte des Schwarms und beobachte mit Ferngläsern die kleinen Boote, die alle in dem 20 m tiefen Wasser angeblich auf Schwertfisch angelten – was legal war. Hatte eine Angler dann aber einen Thun im Drill, raste ein schnelles Schlauchboot der Polizei dorthin und überwachte das Releasen der Thune.  – Die Schwarzfischer gaben deshalb frustriert auf.
Solche Aktionen lassen mich hoffen. Werden die EU-Fördermittel dazu verwandt, die Schwarzfischerei, von wem auch immer, durch mehr Kontrollen einzudämmen, gibt es auch mehr Fisch für alle und unterm Strich mehr Arbeitsplätze: im Fischereiministerium, bei der Wasserschutzpolizei,  in der Tourismusbranche und im Angelgerätehandel.  – Womöglich ist die EU-Politik mit Prämien für mehr nachhaltigere Fischerei doch nicht so verkehrt.
Der Weg in dieses schönere Welt ist aber sicherlich noch weit und deshalb heißt mein Rat vorerst: Vergesst die Winterfischerei vor Kroatien und gebt euer Geld woanders aus.
Wir haben unseren Frust dann mit gutem Essen kompensiert mit Dentex auf dem Holzkohlengrill…

Und am, letzen Abend bereitete uns Branimir, der Mate von Skipper Patrick einen beeindruckend großen „Hobotnica“ zu, den er im Tauchen vom Grund geholt hatte.

Der Oktopus kam auf klassisch-kroatische Art unwetr einen „Peka“ im Kamin: Krake, Kartoffeln und Gemüse kommen in eine Schüssel, die in der Feuerstelle von einer Eisenglocke (Peka) überdeckt wird. Diese Glocke wird dann mit glühender Holzkohle überhäuft und gart von oben alles über eine Stunde hinweg butterzart. Nur  gut:

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