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Rollenservice durch „Dr. Wolli“

erstellt am: 23.04.2013 | von: Jürgen Oeder | Kategorie(n): Gerät & Technik

Ob vor „Jurassic-Park“-Ascension, Socotra vorm Horn von Afrika, dem Malediven oder auf der North-Kenia-Bank: Überall diente sie mir treu beim Jiggen oder Poppern und bekam als Dank am Ende jeden Urlaubs nur einen warme Dusche. Danach hieß es, ab in den Keller bis zum nächsten Mal. Nach all den Jahren hatte sie es deshalb verdient: Einen Service, beim Rollendoktor Wolfgang „Wolli“ Borchers. Für Wolli hatte ich mich entschieden, nachdem eine 6000er knapp ein Jahr beim Herstellerservice in Holland herumlag (Ein „rostfreies“ Lager war verrostet; Japan konnte angeblich so schnell keinen Ersatzteil liefern) und ohne einige Gehäuse-Schrauben zurückkam. Wolli hat ganze Arbeit geleistet und die Operation am offenen Rollenherzen bis hin zum sogenannten Pimpen (der Transplantation neuer, von ihm manuell hergestellter Bremsscheiben aus hochwertigem CFK) auch noch für uns akribisch dokumentiert. Wolli kann mit seinen Materialien von besten CFK-Matten bis hin zu Stanz- und Spezialwerkzeugen nicht nur pimpen, sondern sicherlich auch so manche Rolle aus der Erstarrung im Reliquien-Schrein zurück ins richtige Angler-Leben holen; bis hin zu großen Biggame-Rollen, sagt er. – Zu erreichen ist Wolli übrigens per Email unter: wollebre@yahoo.com So, und nun zum Bericht des Rollendoktors: Es sieht immer eindrucksvoll aus, wenn eine Rolle in allen Einzelteilen à la IKEA präsentiert wird. Bei einem normalen Service ist das nicht notwendig, sondern man geht sektionsweise vor. Fangen wir daher beim Bremsknopf an: Auf Beschädigung und Funktion prüfen. Wenn alles ok ist – so wie bei dieser Rolle – nur das Innenleben ölen und außen leicht fetten Spule: Sichtprüfung der Abwurfkante oder auf andere Beschädigungen. Danach Prüfung der oberen und unteren Bremseinheiten Blick auf die obere Bremse Statt CFK sind drei Dartainium-Bremsscheiben verbaut. Das Bremsverhalten ist nicht schlecht, nur sind Dartainium-Scheiben sehr bruchempfindlich. Wenn Metal Washer nicht hundertprozentig plan sind, können die Scheiben beim Zudrehen der Bremse zerbröseln, wie es mir passiert ist. Wenn dann keine Ersatzwasher oder E-Spule dabei hat, hat schlechte Karten…. Daher die Empfehlung, diese Scheiben gegen CFK zu tauschen: Aus CFK Plattenmaterial der weltweit führenden Firma Ballard (USA) wurden drei neue Scheiben in 0,8 mm Stärke eingepasst. Bremskammer und alle Scheiben incl. Kugellager wurden mit Cal`s Universal Drag Grease behandelt. Das sorgt für sanften Anlauf der Bremse und Schnurabzug ohne Ruckeln. Auch wird verhindert das Salzwasser in das CFK Gewebe eindringen kann und diese durch Kristallbildung zerstört. Auch sind die Bremskammer und Metal Washer gegen Korrosion geschützt. Beim Abspülen der Rolle nach dem Angeln sollte die Bremse unbedingt zugedreht werden, um das Eindringen von (Salz)Wasser zu verhindern. Beispiel einer zerbröselten Dartainium Bremsscheibe Cal`s kann u.a. hier bezogen werden: https://canyonreels.eu/de/online-shop/pflegeoele-a-fette?page=shop.product_details&flypage=flypage.tpl&product_id=35&category_id=5 Wenden wir uns der Bremse unter der Spule zu: Der Deckel hat keine Aussparung zum Ansetzen eines Werkzeugs. Welch spezielles Werkzeug hat man sich bei Shimano da ausgedacht? Per Hand jedenfalls no-go. Die Lösung war dann eine Rohrzange. Die Enden mit Isolierband umwickelt und angesetzt wie auf dem Bild und lösen mit Linksdrehung. Die Schraubgewinde dann reinigen und leicht fetten. Erleichtert später das Aufdrehen des Deckels per Hand. Mit der Zange sollte aber dezent nachgezogen werden, damit der Deckel sich nicht von selbst losrütteln kann. Bei eigener Rolle würde ich in den hochstehenden Ring zwei gegenüber liegende 2mm breite Nuten fräsen. Mit einem 4 cm langen und entsprechend dicken Metallstreifen ist der Deckel dann problemlos zu lösen bzw. festzuschrauben. Kann auf Reisen mit ins Rollen Servicegepäck und nimmt keinen Platz bzw. wichtiger: kein Gewicht weg. Achtung: in der Unterseite des Deckels steckt der Pin der Ratsche. Aufpassen, dass der sich beim Abnehmen des Deckels nicht verabschiedet. Vor dem Aufschrauben des Deckels etwas Fett in die Öffnung schmieren und der Pin bleibt haften! Nach öffnen des Deckel können die Scheiben entnommen werden. Alles in die Reihenfolge legen wie entnommen! Das Kugellager kann nach Entfernen der Sicherungsfeder zur Reinigung und Fetten entnommen werden. Die Bremsscheiben bestehen aus einer ca. 0,5mm dünnen CFK Schicht die auf eine Trägerplatte geklebt ist. Sie sehen bei alle drei Scheiben nicht mehr so toll aus. Aus 1,0 mm CFK Platten neue Scheiben „geschnitzt“. Hier war Handarbeit angesagt, und die sechs „Ohren“ mussten auch sauber in die Aussparungen der Spule passen. Mit Hilfe der Trägerplatte als Schablone lässt sich das einfach bewerkstelligen. Erste Bremstests mit trockenen Bremsscheiben ließen schon erahnen, welch starke Bremskraft die Rolle jetzt bringt. Dann alles mit Cal`s Bremsenfett behandelt und wieder montiert. Zum Abschluss die komplette Unterseite der Spule mit einem Rollenfett gegen Korrosion dezent behandelt. Lösen des Rotors Dazu die kleine Madenschraube rausdrehen und gut aufbewahren!! Dann lässt sich das Teil als eine Einheit abziehen. Nun die beiden Schrauben der Rotormutterabdeckung lösen sowie die Rotormutter. Teile reinigen, fetten und zur Seite legen. Das Schnurlaufröllchen hat nur vierzehn Teile….. komplizierter geht es nicht…… Bügelumschlaghalterungen beim einfachem Service nicht demontieren, sondern nur ölen. Damit das Öl besser eindringen kann, die beiden Schrauben ein paar Umdrehungen lösen. Die beiden Abdeckkappen kann man abschrauben, ohne dads Teile entgegenfliegen. Etwas Fett gegen Korrosion auftragen, auch auf die Unterseiten der Abdeckkappen Die beiden Schrauben der unteren Rotorabdeckung waren korrodiert und ließen sich nicht lösen. Kann konstruktionsbedingt passieren und wenn man nicht vorgesorgt hat. Die Gewinde gehen durch den Rotor und von oben kann Seewasser eindringen. Bei neuen Rollen sollten die Schrauben vor dem ersten Angeln gelöst und die Gewinde gefettet werden!! Arbeiten wir uns tiefer ins Innenleben vor und kommen zur Rücklaufsperre: Die Teile in der Reihenfolge wie abgebildet entnehmen (von r nach l) Nun zu der wohl diffizilsten Baugruppe der ganzen Rolle. Wichtig: Die Rolle gut zu fixieren, sonst können beim Herausnehmen der Rücklaufsperre die kleinen Federn und Zylinder herausfallen. Dann geht die Sucherei los (kann von eigener Erfahrung sprechen……). Hier wird nur mit Pinzette gearbeitet. Falls verschmutzt, die Teile abwischen und dezent mit einem dünnflüssigen Öl benetzen. Um das Ritzel mit Kugellager entnehmen zu können, brauchen nur drei Schrauben gelöst werden. Die Teile reinigen. Ritzel und das offene Kugellager fetten. Danach das Ritzel wieder einstecken, die Halteplatte verschrauben und die Rücklaufsperre montieren. Darauf achten, dass die Sicherungsfeder richtig eingerastet ist. Der Weg in das Getriebe. Zuerst die 2 Schrauben der silberfarbenen Gehäuseabdeckung lösen, dann die 5 Gehäuseschrauben. Blick in das Getriebe Verschmutzungen oder altes Fett sind nicht zu erkennen. Getriebe vom überschüssigen Fett befreien, die beiden großen Kugellager entfetten und neu fetten. Innengehäuse und alle beweglichen Teile leicht fetten und alles wieder montieren. Gegen Korrosion kommt auch etwas Fett in alle 5 Schraubengewinde. Dann können der Deckel und die silberfarbene Abdeckkappe wieder montiert werden. Auch die Kurbel bedarf etwas Pflege. Zerlegen, reinigen und fetten. Die Mutter kann nicht mit einem Schraubendreher gelöst/angezogen werden, weil das Gewinde mit der Mutter bündig abschließt. Dann sind den Rotor und Spulenstütze zu montieren. Die Spule und Bremsknopf aufsetzen, Kurbel aufschrauben und mehrmals kräftig Testkurbeln, ob alles sauber rund läuft. ***