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Im Schwabenland: Großer Italiener für kleines Geld

erstellt am: 17.10.2018 | von: Jürgen Oeder | Kategorie(n): News

Eigentlich war es unsere Mission, Freund Michi nach einem schweren, unverschuldeten Autounfall wieder an einen Fisch zu führen. Mit der Fliegenrute im Fluss zu stehen, das hatte er sich wegen eines zerstörten Sprunggelenks und einiger versteifter Rückenwirbel seit langem nicht mehr getraut. Eine schöne Äsche hatte er sich gewünscht und damit Robert an der Wertach, Simon an der Donau und mich an der Blau ins Wirbeln gebracht. – Wegen des notorischen Niedrigwassers in allen drei Flüssen blieb Micha die 50er Trophäe leider verwehrt.Über einige nette Forellen, mittelprächtige Äschen und eine Barbe kamen wir in den drei Tagen nicht hinaus. Gleichwohl meinte Micha „mission accomplished“, weil das Vertrauen in Beine und Standsicherheit wieder gewachsen war. Einen großartigen Fang machten wir aber gleichwohl – fernab von unserem Fischwasser. In Erbach, 15 Autominuten südwestlich von Ulm und inmitten der schwäbischen Provinz, führte uns Simon in ein kulinarisches Kleinod, das dort, inmitten der Zweckbauten von Drogerie-, Super- und Billigmärkten niemand vermutet. „Die Pizza ist sehr gut im Bonaparte“ hatte Simon angekündigt. Aber nicht nur die: Das „Bonaparte“ (benannt nach der „schönen Seite“ des Lebens) bietet unter Chef Graziano Lanzi und seiner Gattin Astrid eine italienische Küche, die jenseits des ländlichen Raums mit Sternen, Kochmützen oder sonstigen Auszeichnungen überhäuft würde. Wir speisten in der Pizzeria an drei Abenden in Folge und steigerten uns von Mal zu Mal, von der erwähnten Pizza ( ~7,50 €) über Spaghetti Frutti di Mare (11,50 €), Tagliatelle con Porcini (geschmorte Steinpilze mit Cognac abgelöscht in Tomaten-Sahne-Reduktion, für 10,50 €) bis hin zum krönenden Abschluss: Wir hatten Graziano um ein Menu für vier Personen rund um das Thema „Fisch und Meer“ gebeten (was sonst!) und auch ihm damit eine Freude gemacht. „So kochen zu dürfen für Gäste die gerne gut essen, das ist für mich wie das Öffnen einer guten Flasche Wein“, hatte er gesagt. Und was er uns dann auftischte, war wie ein kulinarische Reise durch Italien, von den verschiedensten Vorspeisen, einem Zwischengericht (Taglioni mit Scampi, grünem Spargel und Parmesan) bis hin zu Kalamari, Gamberi, Schwertfisch, Wolfsbarsch und Dorade vom Grill. Bei dem Schwelgen zwischen den verschiedenen Aromen und ihrem Nachhall am Gaumen war ich aber an allen drei Abenden etwas irritiert: Es waren immer nur ein oder zwei weitere Tische besetzt, die anderen blieben in dem hellen, modern eingerichteten „Bonaparte“ leer: „Gäste habe ich meist nur zum schnellen Mittagstisch oder am Wochenende, erklärte Graziano. An Werktagen, so scheint es, gönnt sich der sparsame Schwabe abends nichts. Grazianos 32-jährige kulinarische Missionsarbeit an den vom Pietismus geprägten Schwaben erinnerte mich an den Oscar-prämierten, dänischen Spielfilm „Babettes Fest“. Er spielt im 19. Jahrhundert in einem kleinen Fischerdorf, in dem die Menschen ebenfalls in den Fesseln pietistischer Disziplin und Entsagung gefangen sind. Babette, eine berühmte französische Köchin, bereitet den Dörflern dann ein opulentes Festmahl, das die Frömmler zunächst schweigend und ohne äußere Regung zu sich nehmen. Langsam aber gehen sie aus sich heraus und freuen sich am sinnlichen Genuss der außergewöhnlichen Speisen. Genießen kann man auch bei Graziano, auf geschmacklich hohem Niveau aber zu durchaus schwäbischen Preisen, wie ein Blick auf die Tageskarte zeigt. Der Weg zu ihm lohnt sich. Alles Weitere findet sich hier: https://bonapart-erbach.de